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Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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Joseph Köster zu, sah ihn groß an mit wasserblauen Augen und sagte:
    »Das alles gibt es, weil es an der Liebe fehlt, an
    Menschenliebe. « Dann, während Joseph Köster, wie er später erzählte, reglos dastand, unfähig, sich zu rühren, verließ der Unbestimmte, ohne daß die Glocke bimmelte, die Apotheke wieder, und Joseph Köster war’s, als wache er aus einem Traume auf.
    Seit diesem Tag jedoch, einem Dienstag nach Ostern,
    begann Joseph Köster Verse zu sammeln und auch selber zu schreiben, Verse über die Menschenliebe, die in den Tagen des Wohlstands so seltsam abhanden gekommen war. Er suchte und fand Verslein darüber in der Bibel, suchte und fand dies und das in Goethes gesammelten Werken wie das vielleicht nicht ganz passende:
    »Glück ohne Ruh, Liebe, bist du!«
    Und er reimte selbst Aufrufe an die Menschheit, sich mehr zu lieben – etwa:
    »Freut euch der Wiese, bevor sie gemäht ist, Freut euch vorm Ernten am wogenden Feld! Liebet einander, bevor es zu spät ist! Liebet euch, Menschen, und schön wird die Welt.«
    Doch ließ Joseph Köster es beim Sammeln und Dichten
    allein nicht bewenden. An seinen freien Nachmittagen, am Dienstag und am Donnerstag, vor allem aber an den
    Sonntagen, an denen er keinen Feiertagsdienst hatte, trug er in Köln am Rhein auch seine Verse aus, geschrieben mit seiner alten Schreibmaschine auf einfaches Papier und mit weißem Nähzwirn zusammengeheftet von seiner Frau. Er trug sie aus mit Theo, seinem zehnjährigen Sohne, der auf die oberste der drei oder vier Schreibmaschinenseiten mit Ölkreide den Engel der Liebe malte, mit einem Heiligenschein und einer Kerze in der Hand.
    Und Joseph Köster fand mit seinen Versen Anklang, etwa bei einem alten Rentner, einem Flüchtling aus Schlesien, der Emil Quint hieß. Der lernte die Gedichte nämlich auswendig und trug sie öffentlich vor, in der Straßenbahn, im Milchladen, auf Bänken am Rheinufer und manchmal sogar leise im
    Hintergrund des Doms während der Messe.
    Das gereimte Lob der Menschenliebe verbreitete sich zu Köln am Rhein. Es gab sogar einen Bücherliebhaber, einen pensionierten Oberlandesgerichtsrat, der Joseph Kösters Verse sammelte und sie, als er fünfzig Schreibmaschinenseiten zusammenhatte, sehr fein in roten Saffian binden ließ. Als er das kostbar gebundene Buch Joseph Köster und seinem Sohne zeigte, waren die beiden gerührt; und Theo fand, jetzt müsse eine neue Schreibmaschine her.
    Heimlich besprach Theo dies mit seiner Mutter, und die kaufte, auf Raten natürlich, eine elektrische Schreibmaschine und in der Papierwarenhandlung beim Dom das beste
    Schreibmaschinenpapier, das im Handel war. (Und es gab feines Papier in den Tagen des Wohlstands.)
    Merkwürdigerweise war Emil Quint, der schlesische
    Renter, ein wenig unwirsch, als die Verse nun in feiner Schrift auf feinem Papier zu ihm kamen. »Es kommt nur auf den Inhalt an, Herr Köster«, sagte er, »nur auf den Inhalt. Das Äußere ist Firlefanz.«
    Auch der pensionierte Oberlandesgerichtsrat benahm sich nicht wie sonst, als Joseph Köster und sein Sohn mit den viel feineren Blättern zu ihm kamen. Er murmelte: »Gewiß, sehr schön, sehr schön. Aber das ist nicht mehr der Stil des Anfangs. Zu geschniegelt.«
    Sonst aber gab es nichts als Lob für die freundlichen Verse, die niemandem weh taten und die nun sogar auf blütenweißem Papier mit Wasserzeichen standen.
    Joseph Köster fand mit seinen Versen so viel Anklang, daß er all denen, die sie gerne haben wollten, sie bald schon nicht mehr liefern konnte. Obwohl er seine ganze Freizeit opferte fürs Sammeln, Sichten, Dichten und Abschreiben, kam er nicht nach. Oft mußte Söhnchen Theo die Blätter allein austragen, während sein Vater an der Schreibmaschine saß.
    Das Ansinnen einer Buchhandlung, die Blätter zu drucken und für einen geringen Preis unter die Leute zu bringen, wies er entrüstet zurück. Er sagte darüber in einem Vers, der auf der ersten Seite einer Lieferung stand, genau unter dem Engel der Liebe:

    »Man ist mir käuflich beigekommen,
    Doch Liebe, die verkauft man nicht!
    Ich habe keine Mark genommen
    Ich dichte gratis dies Gedicht!«

    Trotz dieser hochherzigen Haltung, die dem Sammler und Dichter der Menschenliebe alle Ehre machte, wurde die Lage schwierig, als Joseph Kösters Frau zur Entlastung ihres Mannes einen Vervielfältigungsapparat anschaffte, auf Raten natürlich. Denn obwohl das Gehalt ihres Mannes
    vergleichsweise gut war, war es für Sonderausgaben, wie

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