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Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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haushalten muß, daß alles, was er ausgibt, weg für immer ist und niemand ihm das je wieder ersetzen wird. So ist es jedenfalls in einer reinen Geldgesellschaft. Dort, wo man noch in Sippen lebt, ist es natürlich anders und gleichfalls dort, wo es für alle alten Leute Renten gibt. Aber die Tante Rosi stammte eben aus der Welt des Geldes.«
    Wir glitten jetzt mit abgestelltem Motor an die kleine Mole, und Krescho sprang von Bord, um das Haltetau am Poller festzumachen. Der Bootsfahrer jedoch hatte das Tau schon jemand anders zugeworfen, der hinter einigen Leuten auf der Mole stand und nun das Tau geschickt am Poller festmachte.
    Es war – in vollem Kostüm: in Glencheck und mit Brille – der Baron, der nun dem Bootsfahrer auch einen großen Geldschein reichte und Timm und mir aus der Barkasse auf die Mole half.
    Dann machte er das Tau vom Poller wieder los, warf es zurück ins Boot, und ehe wir auch nur ein Dankeschön oder
    Aufwiedersehen sagen konnte, hatte das Boot schon wieder abgelegt und fuhr davon. Der Bootsfahrer winkte zurück mit einem Augenzwinkern.
    »Ist der bei Ihnen angestellt, Baron?« fragte Krescho erstaunt.
    »Nein, nein, er spitzt nur manchmal die Ohren ein wenig für mich, Herr Krescho«, sagte der Baron.
    »Er spitzt die Ohren? Kann er denn auch Deutsch?«
    »Natürlich spricht er Deutsch, Herr Krescho. Er fährt doch für die deutsche Handelsflotte. Darf ich die Herren nun…«, der Baron knickte leicht in der Hüfte ein, »… darf ich die Herren nun zu ihrem Bungalow begleiten?«
    »Es ist uns ein Vergnügen«, sagte Timm und ging mit dem Baron voraus, während Krescho und ich den beiden folgten.
    »Es ist uns ein Vergnügen«, wiederholte Timm, »vor allem, weil Sie zu der Geschichte von der Tante sicherlich etwas anzumerken haben.«
    »Das habe ich, Herr Thaler«, sagte der Baron, »und zwar mit allem Nachdruck. Sie wollen mir den Tod der Tante in die Schuhe schieben.«
    »Den Tod der Tante?« fragte Timm und blieb betroffen stehen. »Warum sollte ich Ihnen Tante Rosis Tod anlasten?«
    Timm ging wieder weiter und fuhr fort: »Von Schuld und Unschuld ist dabei doch keine Rede, Baron. Die kleine Geschichte zeigt nur, wie der Wohlstand funktioniert, dieses Vor-Angst-Versteinern, wenn das Geld ausgeht, und den Verpackungswohlstand bei Ingwer und bei Erben.«
    »Jetzt soll die Verpackungsindustrie verteufelt werden!«
    rief ironisch der Baron. »Wie originell!«
    Doch Timm gab ihm, ganz ohne Ironie, zur Antwort: »Nein.
    Wenn die Verpackungsindustrie so wichtig wird, Baron, wie sie es in den Wohlstandstagen war, dann liegt’s auch an den Leuten, die solche Verpackung haben wollen. Die spielen sich die Bälle doch gegenseitig zu, die Hersteller und die Verbraucher.«
    »Sie sehen also«, fragte der Baron, »keinen Zusammenhang zwischen den Firmen unsrer Gruppe und dem Tod der alten Tante?«
    Timm lachte laut auf und fragte: »Warum so skrupulös, Baron? Wollen Sie sich verteidigen, wo man Sie gar nicht anklagt? Sie sind verändert.«
    »Die Zeit, Herr Thaler, hat sich so verändert«, sagte der Baron. »Aber jetzt muß ich mich verabschieden. Es war mir interessant. Empfehle mich.«
    Dann war er so merkwürdig schnell wie immer
    verschwunden.
    Wir anderen aber gingen zum Bungalow, den Krescho
    aufschloß, und setzten uns wieder mit Wein auf die Terrasse.
    Da es ein feiner leichter Rotwein war, den wir da tranken, beflügelte er das Gespräch, das sich weiter um die Verpackung drehte, und mich beflügelte er sogar, aus der Geschichte der Verpackung zu berichten.
    »Die Weltgeschichte der Verpackung«, so erzählte ich,
    »beginnt – so wie auch die Geschichte vieler großer Reiche –
    bei Binse, Ried und Rohr, bei Netzen, Körben, Knüpf- und Flechtarbeiten, an Seeufern, von denen die Familie Tante Rosis herkam, und in Lagunen wie in der Lagune von
    Venedig. Schaut euch das alte Ägypten an, das Land am Nil, da wimmelte es von Netzen und Körben, für die es sogar eine eigene Göttin gab. Geht zu der alten Korbmacherkultur am Stillen Ozean, in Nordamerikas Südwesten. Da kochte man sogar in dicht geflochtenen Körben, in die man heiße Steine warf. Schaut die Azteken an im alten Mexiko. Da hat man Schlick im Korbgeflecht verpackt zu schwimmenden Gärten, die heute noch, im zwanzigsten Jahrhundert, Mexiko-Stadt mit Obst und Gemüse versorgen.«
    »Und was gab’s nach den Netzen und den Körben für eine Verpackung?« fragte Krescho.
    »Die Töpferei, Keramik, Porzellan«, antwortete ich.

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