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Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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er darf als Aussichtsturm benutzt werden.«
    Krescho hatte recht: Die Eingangstür des Turms war offen.
    Auf einer Treppe, die um den Turmkern herum nach oben führte, kam man zur runden Kuppel mit den dicken
    Rundumfenstern. Von der Beleuchtungsanlage war nur ein runder Sockel stehengeblieben, um den herum Korbsessel verteilt waren. Durch das Rundumfenster sah man hinab auf das Meer und auf den Strand.
    Ich war mit Krescho vorausgegangen. Als wir nun in der Turmkuppel standen und auf das Meer blickten, auf dem Wolkenschatten wanderten, fragte er mich: »Warum ist der Baron wohl so hinter den Geschichten meines Vaters her?«
    »Weil er die Wirkung der Werbung kennt«, gab ich zur Antwort und setzte mich in einen Sessel. »Er meint wohl, diese Geschichten sind Gegenwerbung gegen seine
    Handelswerbung.«
    »Und warum gibt er sich jetzt so moralisch?« fragte
    Krescho, der sich gleichfalls setzte.
    »Weil das Mode ist, Krescho«, sagte ich. »Er paßt sich an.
    Aber besonders schmecken tut’s ihm nicht. Was wollte er eigentlich im Zuge von dir? Ist dir das wieder eingefallen?«
    »Ja«, sagte Krescho. »Als ich heute nacht darüber
    nachgedacht habe, ist es mir wieder eingefallen: Er wollte mein Weinen haben.«
    »Dein Weinen?« fragte ich verblüfft und dachte an das Mädchen Nele, das – ganz im Gegensatz zu Krescho – laut ihrem Vertrag mit dem Baron nicht weinen durfte.
    Leider konnte ich darüber nicht weiter nachdenken, denn Timm und der Baron erschienen in der Leuchtturmkuppel. Sie schienen über die Werbung zu reden. Timm sagte gerade:
    »Der Clou wäre die Werbung an sich. Die Werbung für
    nichts.«
    »Für nichts?« Der Baron blieb gebückt im Eingang zur Turmkuppel stehen. »Für nichts, Herr Thaler? Geht denn das?« Jetzt kam auch der Baron herein, und er und Timm setzten sich ebenfalls.
    »Werbung für nichts?« murmelte der Baron noch einmal.
    Timm antwortete lachend: »Ja, Werbung für nichts. Für Kuks zum Beispiel, das es gar nicht gab.«
    »Kuks? Ist das etwa eine Geschichte?« fragte Krescho erwartungsvoll.
    Sein Vater nickte und sagte: »Da wir hier bequem sitzen, mit einem schönen Blick auf Meer und Land, sollte ich die Geschichte, die demnächst ein Stück wird, hier vielleicht erzählen.«
    Wir waren damit einverstanden, und so hörten wir in der Leuchtturmkuppel, die letzte graue Wolken überflogen, die Geschichte:
    Kuks

oder
    Wer nicht wirbt, stirbt

    In den Tagen des Wohlstands ging durch die Büros der Werbeagentur Carl Henne (Werbespruch: Henne legt Ihnen goldene Eier) ein Raunen.
    »Es kam ein Scheck von beinah zehn Millionen«, flüsterte hinter vorgehaltener Hand das Fräulein Siebecke, die Buchhalterin: »Mit der Post!« Im Munde der drei Lehrlinge der Firma handelte es sich sogar um zwölf Millionen Mark.
    Und in der graphischen Abteilung war die Rede von einer
    »märchenhaften Summe«.
    Im Büro des Chefs aber, in dem der Scheck auf dem
    Schreibtisch lag, handelte es sich um genau acht Millionen siebenhunderttausend Mark. Der Scheck war klein und grün und kam von einer Bank aus Tunis, Nordafrika, im Auftrage von SNA.
    »Fräulein Siebecke! Siebecke!« Carl Henne, der den Scheck längere Zeit fast liebevoll betrachtet hatte, rief nach der Buchhalterin, und weniger später klopfte es, und die gute Siebecke, ein schmales Frauchen, huschte ins Büro. »Was für ein Scheck ist das hier, Siebecke? Wer oder was ist SNA?«
    »Ich weiß es nicht, Herr Henne. Der Scheck kam
    komischerweise mit der Post. Darf ich mal?« Fräulein Siebecke nahm den Scheck vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger, betrachtete ihn über den Rand ihrer goldgefaßten Brille und sagte dann: »Unten links steht mit Bleistift Cux geschrieben.«
    »Cux?« Carl Henne runzelte die Stirn. Dann aber glättete sie sich wieder, und Carl Henne, ein elegant gekleideter großer Herr mit etwas Bauch, stand auf und sagte: »Cux also. Ein einprägsamer Name. Darf ich?«
    Er nahm dem Fräulein Siebecke den Scheck ab und
    betrachtete ihn auch, ebenfalls über den Rand der Brille, deren Gestell aus Horn war. Dann wiederholte er: »Cux also. Aber das x am Schluß gefällt mir nicht, ks ist besser. Cuks. Und da sich zwei k besser machen, ersetzen wir das Anfangs-C durch K: Kuks.« Carl Henne kickte das Wort wie einen hübschen runden kleinen Fußball vor sich her: Kuks. Und es gefiel ihm immer besser. »Ein solcher Name und dazu acht Millionen siebenhunderttausend Mark, Siebecke, das wird der Schlager der Saison oder der

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