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Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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die Menschenliebe geschenkt.
    Jetzt haben Sie sie verkauft.«
    Er schloß mit traurigem Gesicht die Tür vor Joseph Köster.
    Der Regen hatte unter der Geschichte aufgehört. Das
    Gewitter war weitergezogen. Jetzt regte Padre Ambrosio sich hörbar in seinem Liegestuhl und sagte: »Dank für die schöne visionäre Geschichte, Herr Thaler. Ich war durch sie wieder in Köln am Rhein, am Dom, am Altmarkt und am Fluß mit
    seinen Brücken.«
    Er erhob sich aus dem Liegestuhl, und nun sah ich etwas sehr Sonderbares: An der Wand nahe der Tür lehnte ein zusammengefaltetes Zelt mit einem Plastikfenster, in dem sich spiegelte, was durch die halboffene Tür von jener Stelle aus zu sehen war.
    Und was zu sehen war, war der Baron. Er stand hager und hoch vor ziehenden Wolken da und bewegte sich, das war das Allerseltsamste, spiegelverkehrt zu Padre Ambrosio. Wenn er die linke Hand hochhob, hob Padre Ambrosio, von sich aus gesehen, die rechte. Ging der Padre nach rechts, ging der Baron, von sich aus gesehen, nach links. So war, während der Padre sich im Schuppen bewegte, der Baron dort draußen vor der Tür sein lebendes Spiegelbild. Nur ihre Münder bewegten sich nicht spiegelbildlich, sondern unterschiedlich; denn der Baron bewegte die Lippen ganz anders als der Padre, viel ärgerlicher, wie mir schien, und heftiger.
    Während der Padre nun gemessenen Schrittes auf und ab ging und ich im Plastikfenster den Baron vor ziehenden Wolken in der gleichen Weise auf und ab gehen sah, sagte der Padre: »Ja, die Menschenliebe; ein kostbar Ding und allen Schutzes wert. Aber der Mensch als das Ebenbild Gottes…«
    »Oder umgekehrt«, warf Timm Thaler ein.
    »Ja, oder umgekehrt«, sagte der Padre. »Ich meine nur die Spiegelbildlichkeit von Mensch und Gott.«
    »Und Gott und Teufel«, warf Timm Thaler ein.
    »Ja, auch von Gott und Teufel«, sagte der Padre. »Die Spiegelbildlichkeit dieser sehr großen geistigen Entwürfe hat zur Folge, daß sie sich gegenseitig durcheinanderspiegeln und es ein ungetrübtes Spiegelbild nicht gibt. Wen sollen wir denn lieben? Lieb ich Gott so, daß ich in seinem Namen Menschen brennen lasse? Lieb ich den Menschen so, daß mir mein alter Gott zu nichts zerrinnt? Soll ich den Teufel lieben, der sein Garn zwischen Gott und dem Menschen spinnt? Wen soll ich denn lieben, wenn alles so kompliziert ist?«
    Der Padre warf die Arme in die Höhe, und im Plastikfenster sah ich den Baron die Arme in die Höhe werfen, aber mit einem beinah lachenden Gesicht.
    Dann ließ der Padre seine Arme wieder sinken und sagte:
    »Es hat zu regnen aufgehört. Dank für die freundliche Gesellschaft und für Ihre Geschichte, Herr Thaler.«
    Er verbeugte sich, wie sich der Baron im Plastikfenster verbeugte, und ging so hinaus, wie der Baron hereinkam. Im Lichte der halboffenen Tür flossen die beiden ineinander.
    Dann trat der Baron hohnlachend in den Schuppen und rief:
    »Verkaufte Menschenliebe! Was für eine rührende
    Geschichte! Selbstlose Liebe gibt es nicht.«
    »Auch nicht in meiner Geschichte, Baron«, sagte Timm Thaler und erhob sich aus dem Liegestuhl. »Meine Geschichte zeigt ja die Unmöglichkeit selbstloser Liebe in der Welt, die wir bewohnen, selbst solcher rührenden, wie es die von Joseph Köster war.«
    »Und was soll die Geschichte dann beweisen?« fragte der Baron.
    »Diese Unmöglichkeit, sofern sie überhaupt etwas beweisen muß«, sagte Timm Thaler. »Sie erprobt Möglichkeiten, weiter nichts.«
    An der Tür war jetzt ein Geräusch zu hören. Als wir
    hinguckten, kam Krescho herein und sagte, nachdem er eine Weile ins Dunkel gestarrt hatte: »Also hier seid ihr. Ich hab euch nach dem Tennis überall gesucht. Habt ihr etwa wieder Geschichten erzählt?«
    »Ja, über zu erprobende Möglichkeiten«, sagte der Baron.
    Und Krescho, der ihn erst jetzt erkannte, sagte: »Ah, Baron!«
    Dann sagte ich: »Wollen wir diesen dunklen Schuppen
    nicht endlich verlassen? Es hat schon lange zu regnen aufgehört.«
    Nacheinander gingen wir durch die halboffene Tür hinaus zum Strand. Ich sah dabei mein Spiegelbild im Plastikfenster.
    Es war mein eigenes Gesicht.
    Draußen war’s immer noch oder schon wieder frisch. Vom Meer her kamen immer noch Wolken gezogen. Der kleine dicke Leuchtturm auf der Felsnase, die den Strand begrenzte, glänzte nach dem Regen.
    Auf diesen Leuchtturm, einen gedrungenen viereckigen Bau aus Naturstein mit einer runden Kuppel obendrauf, wanderten wir nun zu. »Er ist immer offen«, sagte Krescho. »Und

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