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Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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einige Zeit wirklich gerettet. Er hat für die westliche Welt das Papiergeld erfunden, das die Chinesen früher schon einmal erfunden hatten.«
    »Und um uns das zu sagen, schleppst du uns weg von
    Mozart?« fragte Krescho.
    »Na hör mal«, sagte Timm, »ist das nicht fabelhaft, daß wir am Grabstein von John Law gestanden haben? All das
    Papiergeld, das es heute gibt, verdanken wir John Law, der selbst ein ehrlicher und wohlmeinender Mann war, der aber etwas leichtsinnig an den Gemeinsinn aller Menschen glaubte.
    Das Papiergeld, das den Handel so belebt, wird ja sehr leicht ein lappiger Fetzen ohne Wert, wenn gar zu hoch damit gespielt wird.«
    »Also ging Herr John Law am Ende doch noch pleite«,
    sagte Krescho. Und sein Vater bestätigte es: »Er starb als armer Mann im Jahre 1729 in Venedig. Doch daß er in der Moseskirche ruht, daß wußte ich nicht. Ich hab es eben erst entdeckt.«
    Wir waren angekommen auf dem Markusplatz und suchten uns auf der rechten Seite einen freien Tisch aus.
    Als wir uns setzten, kam der Kellner mit den abgewetzten Rändern am Jackett. »Ich helfe auf dem Markusplatz ein bißchen aus«, sagte er, als ob er sich dafür entschuldigen müsse. »Was darf ich den Herren bringen?
    Sie können auch…«, er grinste, »… mit Papiergeld
    bezahlen.«
    »Also mit der Erfindung des John Law, Herr Ober«, sagte Timm. »Dann bringen Sie uns zwei Kaffee, zwei Capuccini.«
    »Und für mich Vanille- und Zitroneneis«, sagte Krescho.
    Der Kellner ging, und nun fragte Krescho, mit seinem Kopf auf den Kellner deutend: »Ob der uns vom Papiergeld reden gehört hat?«
    »Sicherlich«, sagte Timm. »Kellner haben oft scharfe Ohren.« Dabei sah er mich an und schloß ein Weilchen die Augen, was bedeuten sollte: Nichts verraten.
    Während ich unmerklich nickte, sah ich in der
    Wasserkaraffe vor mir auf dem Tisch den alten Mann mit dem zerfransten Strohhut gespiegelt, der in Murano am Kanalufer gesessen hatte. Er schien dicht hinter mir zu stehen; denn groß sah er mich aus dem Karaffenspiegel an, aus einem Hundert-Lire-Schein gemütlich eine Zigarette drehend. Als ich mich umwandte zu ihm und »buon giorno« sagte, grunzte er, steckte die Geldschein-Zigarette in den Mund und hinkte davon.
    Timm, der die kleine Szene beobachtet hatte, lachte und sagte: »Eine teure Zigarette. Und jetzt kommt nach seinen Puppen bestimmt der alte Puppenmeister.«
    »Welcher Puppenmeister?« fragte Krescho verwirrt.
    Sein Vater gab ihm keine Antwort; denn der Baron stand plötzlich neben ihm und fragte, ob es gestattet sei, sich zu uns zu setzen. Bevor er Antwort hatte, saß er aber schon am Tisch und sagte: »Es wäre Zeit, zu Fausto Cantrini zu fahren.
    Kommen Sie mit?«
    »Wir müssen erst bezahlen, Baron«, sagte Timm.
    »Ist schon bezahlt, Herr Thaler«, sagte der Baron und winkte mit zwei Fingern dem uns unsichtbaren Kellner zu.
    Dann erhob er sich wieder.
    Wenig später saßen wir in einer Barkasse, die den Canal Grande hinaufquirlte. Er war wie immer belebt von Dampfern, Gondeln und Barkassen wie der unseren. Als wir hier an einem Palast von der Farbe alter Ziegelsteine vorüberfuhren, ließ der Baron den Mann am Steuer langsamer fahren und sagte: »Das ist der Palast der Cantrini, noch gotisch, aber auch schon Renaissance.«
    Es war ein schöner Palast, der statt der Fenster
    säulenflankierte hohe schmale Türen hatte, oben mit
    Rundungen, die eine Spitze hatten. Sie führten hinaus auf Balkönchen mit Schnörkelgittern in Weiß. Die Bootspfosten vor dem Palast waren blau-gelb geringelt.
    Als der Palast zurückblieb und wir weiterfuhren, fragte Krescho den Baron: »Warum fahren wir weiter? Wir sind doch eingeladen in den Cantrini-Palast.«
    »Das sind wir leider nicht«, antwortete der Baron. »Wir sind zwar eingeladen zu Fausto Cantrini, aber der hat zwei Zimmer in einem anderen Palast, der seinem Onkel gehört.«
    Eins dieser Zimmer, von denen der Baron gesprochen hatte, erwies sich, als wir es kurz darauf betraten, als ein schöner Saal mit vergoldetem Stuck an der Decke. Auf der gestreiften Seidentapete sahen wir dunkle Rechtecke. Hier hatten wohl einmal Bilder gehangen. Der Saal war leer. Doch als Fausto Cantrini uns hinter eine chinesische Stellwand führte, sah er gleich einladender aus: Wir setzten uns in schöne, hohe, unbequeme gotische Stühle, die einen schweren Renaissance-Tisch umstanden. In Meißner Pozellan mit grünem Blatt-Muster wartete hier der Kaffee schon auf uns. Fausto Cantrini trug jetzt eine

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