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Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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Geld, Herr Thaler? Sie halten doch vom Geld nicht viel.«
    »Ebendrum, Baron«, sagte Timm, »verlange ich ja zwei Millionen. Die Puppen sind mir soviel wert, daß Geld den Wert für mich gar nicht aufwiegen kann.«
    Jetzt lachte der Baron ein meckerndes Lachen. »Sie haben im Wörterverdrehen Fortschritte gemacht, Herr Thaler«, sagte er. Dann, wieder kühl und sachlich, fragte er: »Also zwei Millionen?«
    »Zwei Millionen«, antwortete Timm.
    »Gut«, sagte der Baron, »dann hole ich die Puppen und das zusätzliche Geld. Sie können im Kabinett des Herrn Marinetti auf mich warten. Es wird nicht allzu lange dauern, bis ich wieder hier bin.«
    »Ich werde warten, Baron«, sagte Timm.
    Nun eilte der Baron davon, und Marinetti führte uns ins sogenannte Kabinett im Hintergrund des Ladens, in einen Raum mit alten Polstermöbeln, der Licht von einem kleinen Innenhof empfing.
    Im Kabinett saß ein Herr in einem Sessel, der sich erhob, als wir den Raum betraten.
    Marinetti schaute ihn verblüfft an. »Wie sind denn Sie hereingekommen?« fragte er.
    »Erst durch die Eingangstür, dann durch den Laden«, sagte der Herr lächelnd. »Sie haben mich zu dieser Stunde doch erwartet. Der Zettel liegt noch immer auf dem Tisch.«
    Er zeigte auf einen Notizzettel, der auf dem runden Tisch lag und den Marinetti nun, immer noch verblüfft, in die Hand nahm und beguckte.
    »Das ist meine Schrift«, murmelte er. »Ganz ohne Zweifel.
    Aber ich kann mich gar nicht erinnern, dies geschrieben zu haben.« Plötzlich fiel ihm ein, daß er Timm und mir noch keinen Platz angeboten hatte, und so sagte er: »Bitte, meine Herren, setzen Sie sich doch. Auch Sie, Graf Gödrö. Sind Sie Ungar?«
    »Ja«, sagte, sich setzend, der Herr. Er trug in einem rundlichen Gesicht mit leicht schrägen Augen einen nach unten hängenden Schnurrbart und auf dem massigen Leibe eine grüne Jacke, die an einigen Stellen speckig glänzte. »Ja«, sagte dieser Herr, »ich bin Ungar.«
    »Und ich habe Ihnen die lebensgroße Nachbildung eines Gondoliere versprochen?« fragte Marinetti. »Wann war denn das?«
    »Gestern am Telefon«, sagte Graf Gödrö.
    Timm und ich hatten uns inzwischen in Sessel gesetzt, und gerade wollte Marinetti sich ebenfalls setzen, als das Telefon ertönte, ein schnörkeliges altmodisches Telefon, das auf einem Rokoko-Kommödchen stand.
    Als Marinetti den Hörer abhob, sich meldete und hin und wieder »ja« oder »ich verstehe« sagte, malte sich Erstaunen auf seinem Gesicht. Dann, als er den Hörer wieder in die Gabel gelegt hatte, sagte er, den Grafen Gödrö seltsam ansehend: »Die Puppe wird gebracht. Sie ist schon auf dem Weg hierher.«
    »Da sehen Sie, daß es sie gibt«, sagte der Graf, »und daß Sie schon für mich tätig geworden sind.«
    »Merkwürdig«, sagte Marinetti und setzte sich,
    »merkwürdig, daß ich mich gar nicht daran erinnern kann. Ich werde nun wohl wirklich alt. Im übrigen, Graf, verlangt der Besitzer einen stattlichen Preis.«
    »Damit habe ich gerechnet«, sagte Graf Gödrö. »Umsonst ist nur der Tod.«
    Er wollte offenbar noch etwas hinzufügen; doch machte er den Mund nur auf und schloß ihn nicht wieder. Irgend etwas in Richtung der Tür erregte gerade seine Aufmerksamkeit.
    Nun richtete auch ich den Blick auf die Tür und sah, daß sie sich langsam öffnete. Durch ihre Öffnung schob sich ein Männerkopf mit einem Strohhut vor, und diesem Kopfe folgte waagrecht und steif ein Körper. Es sah so aus, als ob der Körper schwebe.
    Dann aber wurde ein schlanker Herr in einem mittelblauen Anzug sichtbar, der diesen Körper trug. Er brachte – jetzt gab’s keinen Zweifel mehr – die lebensgroße Gondolierepuppe für den Grafen.
    Der Graf stand denn auch auf und sagte: »Reizend, daß Sie sich selber herbemühen, Fürst; aber das war doch wirklich nicht notwendig.«
    Der Angeredete, der nun die Puppe auf die Beine stellte und sie schräg ans Rokoko-Kommödchen lehnte, fragte: »Kennen wir uns, mein Herr?«
    »Graf Gödrö aus Ungarn«, sagte, den Grafen vorstellend, der alte Marinetti. Und da er einmal dabei war, stellte er auch Timm und mich gleich vor. Dann trat er neben den Besucher und sagte, seine Hände öffnend zu Schalen des Entzückens:
    »Fausto Cantrini.«
    Die Vorstellung verfehlte ihren Eindruck auf uns nicht: Fausto Cantrini war der letzte Sproß eines uralten adligen Geschlechtes von Venedig, das Dogen und Kardinäle
    hervorgebracht hatte und einmal einen der schönsten Paläste am Canal Grande

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