Timm Thalers Puppen
wohnten, und feierten bis Tagesanbruch weiter. Dabei erfuhren die Geschwister, daß das Magenmittel Stomabals von der Fabrik Allange nur noch verpackt wurde; denn es kam fertig und in Kapseln aus der Schweiz, aus einem Orte namens Teirkofen bei Bern.
Zu diesem Ort fuhren Barni und Margaret am nächsten Tag mit brummenden Köpfen, nachdem sie Claude, der etwas viel getrunken hatte, dem Schloßpförtner behutsam übergeben hatten.
In Teirkofen, einem kleinen alten Ort mit breiten Häusern, gibt es die Arzneimittelfabrik Räppli. Sie läßt jedoch keine Besucher ein in ihre Räume, denn dafür hat sie ein Büro in der Stadt Bern.
So fuhren Margaret und Barni weiter zur Stadt Bern, immer noch mit brummenden Köpfen, und hier fanden sie unweit des breiten Zeitglockenturms mit seinem feinen Spitzdach, auch nicht sehr weit entfernt von einem Brunnen, in dem auf einer Säule ein Gewappneter mit einer Löwenfahne steht, das Räpplische Büro, das aber schon geschlossen war. Nur eine alte Zugehfrau werkelte hier noch herum.
Mit dieser Zugehfrau begann Margaret ein Gespräch. Sie sprach mit ihr über eine Freundin ihrer Mutter, die hier einmal Sekretärin gewesen oder es immer noch war, ein gewisses Fräulein… Fräulein…
»Sie meinen sicher Fräulein Gloor«, sagte die Zugehfrau.
»Die ist ja schon fast fünfzehn Jahre bei uns.«
»Ja«, rief Margaret strahlend, »jaja, ich meine Fräulein Gloor. Wo wohnt sie?«
Der Weg zur Wohnung Fräulein Gloors wurden den zwei
Geschwistern so genau beschrieben, daß sie die Wohnung ohne Mühe fanden und schon ein Stündchen später darin saßen und mit der Sekretärin Schwarzgeräuchertes zu Abend aßen.
Fräulein Gloor konnte sich zwar an die Mutter der beiden zuerst nicht erinnern; doch erinnerte sie sich an eine deutsche Apothekerin, mit der sie auf dem Bodensee gerudert war, als irgendeine Tagung stattgefunden hatte, und das, behauptete Margaret dreist, wäre ihre Mama gewesen. »Sie läßt Sie herzlich grüßen«, fügte sie hinzu. »Und wir sollen Sie ein bißchen ausführen, hat sie gesagt.«
»Ausführen?« fragte Fräulein Gloor, ein älteres, adrett gekleidetes Fräulein. »Wohin denn ausführen?«
Auch Barni rief: »Ausführen?« Er fragte sich entsetzt, ob Margaret sich etwa noch eine zweite Nacht um die Ohren schlagen wolle.
Aber zu seinem Glück wurde es nichts mit dem Ausführen; denn Fräulein Gloor sagte, sie ginge abends niemals aus, nur manches Mal zum Essen. Gegessen aber hätte sie ja schon.
Doch falls die Geschwister einen guten alten Wein probieren möchten…
»Wein ist mein Lieblingsgetränk!« rief Margaret. »Ich liebe Wein.« Sie küßte ihre Fingerspitzen. »Wein ist der Trank der Götter.«
Barni, dessen Schädel beim Gedanken an den Wein sofort stärker zu brummen begann, dachte: »Das ist ja entsetzlich, was diese Jugend vertragen kann. Man müßte noch mal
fünfzehn sein.«
Fräulein Gloor aber war jetzt ganz fröhliche Geschäftigkeit.
Sie holte, nachdem sie zuvor den Geschwistern telefonisch ein Hotel besorgt hatte, den Wein aus dem Keller, drei
staubüberpuderte Flaschen, und dann tranken die drei den Wein wahrhaftig aus, sehr langsam zwar, jedoch fein stetig.
Dabei erzählte Fräulein Gloor den beiden Geschwistern ihr Leben, ein Leben, das nicht gerade strahlend, aber auch nicht traurig gewesen war.
»Was ich erreicht habe im Leben«, sagte Fräulein Gloor am Ende, »das gefällt mir. Ich lebe gern in der Stadt Bern. Ich habe meine Wohnung gern, und auch der Posten in dem
Räpplischen Büro gefällt mir.«
»Räppli?« fragte Margaret sofort und tat versonnen.
»Bekommen wir von Räppli nicht das Stomabals?«
»Nein«, sagte Fräulein Gloor und goß Wein nach, »Sie kriegen es nur indirekt von uns. Wir liefern unsere Kapseln nämlich an die Firma Allange nach Frankreich. Wir aber werden wiederum beliefert von der Firma Knijper aus
Duurdijk in Holland. Eigentlich…« Fräulein Gloor spielte eine kleines verlegenes Mädchen. »Eigentlich ist das ein
Firmengeheimnis. Aber da Sie Apothekerkinder sind, sind wir ja unter uns.«
Die beiden Apothekerkinder, die Fräulein Gloor in
freundlicher Aufgeregtheit mit ihrem alten Rotwein traktierte, verbrachten den größten Teil des folgenden Tages schlafend in ihren Hotelzimmern. Als sie sich endlich aufrappelten, um ein bißchen zu essen, hatten sie noch immer oder schon wieder Schädelweh.
»Wenn Detektivspielen aus einer Kette alkoholischer
Nächte besteht«, sagte Barni beim
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