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Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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fragte, wie das denn möglich sei, daß wir so rasch über die Adria geflogen wären, hörten wir den Baron, der – offenbar wieder gutgelaunt – gerade an Deck kam. Er sagte: »Das nennt man Fortschritt, Herr Thaler. Schauen Sie sich nachher meinem neuen Motor an.«
    Während wir – jetzt mit gedrosseltem Motor – zwischen kleinen unbewohnten Inseln hindurchfuhren, sagte Krescho:
    »Die sieht aber sehr alt aus, die Stadt Rovinj.«
    »Sie ist auch alt«, erklärte Timm. »Als die Lagune von Venedig noch die kleine Welt aus Schilf und Lehm war, nur von Salz- und Muschelsammlern bewohnt, im dritten bis vierten Jahrhundert, da wohnten hier die Leute schon in Steinhäusern auf einer Insel, die nur durch einen nicht sehr breiten Meeresarm vom Festland abgetrennt war.«
    »Doch später, als die Stadt Venedig groß geworden war«, ergänzte der Baron, »als dort, wo Schilf gewesen war, Paläste standen, schmückte die Dogenstadt, das glänzende Venedig, diese ganze Küste hier mit seinen Glockentürmen und mit seinen Löwen. Der Glockenturm dort oben über der Stadt…«, der Baron zeigte auf den Turm mit der kupfernen heiligen Euphemia auf seiner Spitze, »… der Glockenturm, gebaut von einem Griechen, der Manopolos hieß, ist nur das Abbild jenes Glockenturmes, der auf dem Markusplatz Venedigs steht.«
    »Tatsächlich!« rief Krescho. »Es ist der Turm vom
    Markusplatz in klein.«
    Wir hatten inzwischen Crveni Otok, die rote Insel,
    umfahren, auf der Ferienhäuser unter Bäumen stehen, und ankerten nun zwischen dieser Insel und dem Festland. Dabei sagte der Baron, fortfahrend in seiner Rede: »Auch was uns heute hier an diese Küste führt, geschieht gewissermaßen in Venedigs Auftrag. Denn was ich hier ein paar Besuchern vorzuführen habe, die Schiffsschraube, die uns so rasch über die Adria gequirlt hat, die ist – wie auch der neue Motor – ein venezianisches Erzeugnis. Und dort kommen meine
    Besucher.«
    Der Baron zeigte auf eine weiße Barkasse. Sie kam aus dem Hafen von Rovinj auf uns zugesteuert und legte sich wenig später an unsere Bordwand, an der Pietro das Fallreep hinuntergelassen hatte.
    Obwohl wir jetzt in einem anderen Land waren, im Lande Jugoslawien, verlangte niemand unsere Reisepässe zu sehen.
    Die Herren, die an Bord der Yacht kamen, Maschinenbau- und Schiffsbauingenieure, wollten im Auftrag der Regierung ganz etwas anderes sehen, nämlich die Heckschraube und den Motor der Yacht, die uns so staunenswert schnell über das Meer gebracht hatte.
    Da ich von Schrauben und Motoren nichts verstehe, schloß ich mich der Besichtigung nicht an. Statt dessen legte ich mich auf dem Vorderdeck in einen Liegestuhl, und gleich darauf plumpste jemand in einen anderen Liegestuhl, der neben mir stand. Es war Krescho. »Der Motor da unten ist mir zu kompliziert«, sagte er.
    »Mir gleichfalls«, sagte ich. Dann fragte ich: »Um was wollte der Baron heute morgen eigentlich mit dir wetten?«
    »Wetten? Mit mir?« Krescho konnte sich an keine Wette erinnern, und so sagte ich: »Ihr habt euch doch etwas in die Hand versprechen wollen heute morgen.«
    »Ah«, sagte Krescho, »davon sprechen Sie. Jaja, das stimmt schon. Das war aber keine Wette. Ich sollte dem Baron bloß versprechen, nicht zu verraten…«
    »Was nicht zu verraten?« fragte ich und fügte, als der Junge zögerte, hinzu: »Du hast ja nichts versprochen, also darfst du’s auch verraten. Ich halte ohnedies den Mund.«
    Krescho zögerte immer noch, gab aber dann zur Antwort:
    »Ich sollte nicht verraten, daß er damals in der Eisenbahn mit mir gesprochen hat, im Zug, der von Verona nach Venedig gefahren ist.«
    »Und woher wußtest du, daß jener Herr im Zuge der Baron war?« fragte ich.
    »Weil er mich heute morgen gefragt hat, ob ich der beste Tennisspieler von der Welt werden will. Dasselbe hat mich der Herr in der Eisenbahn auch gefragt. Und da hab ich ihm auf den Kopf zugesagt, daß er der Herr gewesen ist.«
    »Und möchtest du Welt-Champion im Tennis werden?«
    fragte ich.
    »Nein«, sagte Krescho. »Ich spiele sehr gern Tennis. Doch als Beruf ausüben möchte ich das nicht. Dann ist es ja kein Spiel mehr.«
    Noch während Krescho sprach, kamen an mehreren Stellen Leute aus dem Bauch der Yacht nach oben, und plötzlich wimmelte das Deck von jugoslawischen Ingenieuren und Mitgliedern der Yachtbesatzung, die ich bis dahin nicht gesehen hatte. Sie drängten jetzt zum Heck, um die Schraube zu besichtigen, von der im Wasser wohl nicht viel zu sehen

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