Timm Thalers Puppen
meist nur das Entfernte. Gehst du drauf zu, ist es geheimnislos.«
»Und daß wir uns hier zufällig getroffen haben, Timm, ganz nah beim toten und doch so lebendigen Venedig…«
»…ist sicherlich kein Zufall«, ergänzte Timm. »Im Umkreis des Barons gibt’s keinen Zufall. Und gibt es ihn, dann wird der Mann nervös. Aber was ist denn da los?«
Timm blieb stehen und starrte geradeaus, wo an einer Bootsanlegestelle eine weiße Yacht lag. An Deck stand der Baron. Vor ihm stand Krescho. Es sah so aus, als wollten sie durch Handschlag irgend etwas bekräftigen; denn ihre offenen rechten Hände näherten sich einander.
»Krescho!« rief Timm. Er rief es laut und scharf, und nun ließen die beiden auf der Yacht ihre Hände sinken, der Baron sichtbar widerwillig, denn sein Gesicht verzog sich. Krescho aber wandte den Kopf zur Seite und rief: »Was ist denn?«
»Wir haben die Badesachen vergessen«, rief Timm zurück.
»Holst du sie uns?«
Während der Baron ärgerlichen Gesichts unter Deck
verschwand, rief Krescho: »Ich komme!« Er sprang auf die Mole, lief zu uns herüber, ließ sich von seinem Vater den Bungalowschlüssel geben und rannte den Weg zurück, den wir gekommen waren.
»Ob der Baron etwa schon wieder etwas kaufen wollte, etwa ein Weinen?« fragte ich.
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich will’s nicht wissen«, sagte Timm. »Morgen verlassen wir den Dunstkreis von Venedig, und heute werde ich den Baron immer in meiner Nähe haben. Er selber will es so.«
Wir standen jetzt an der Bootsanlegestelle und gingen über eine Gangway an Bord der Yacht.
Ein junger Mann mit krausem blondem Haar und blauen
Augen, wohl ein Lombarden- oder Gotenenkel, erklärte uns in dialektgefärbtem Italienisch, das Frühstück werde unter Deck serviert.
So stiegen wir, uns bei dem Eintritt in die Luke bückend, rückwärts die kleine Eisenleiter hinunter, wobei wir uns am kühlen Messinggeländer festhielten, und standen gleich darauf in dem Salon, der mit feinen Hölzern getäfelt war.
Auf einem Mahagonitisch vor einer gepolsterten Eckbank war auf vier blütenweißen Damastdeckchen das Frühstück serviert.
Der Baron kam, kaum daß wir den Salon betreten hatten, aus einem angrenzenden Raum herein und nötigte uns, ganz angestrengte Liebenswürdigkeit, an den Tisch. Wenig später kam auch Krescho mit den Badesachen, und wir frühstückten.
Es gab Kakao, Kaffee und Tee zur Auswahl,
Schinkenspiegeleier, eisgekühlte Säfte, weiches und resches Brot, Brötchen und feine Konfitüren.
»Ich plane«, sagte der Baron beim Frühstück, »daß wir zunächst mit Motorkraft nach Istrien, nach Jugoslawien, fahren und dort vielleicht in Rovinj zu Mittag essen. Haben Sie etwas dagegen?«
Wir Gäste, mit dem Verzehr des Frühstücks beschäftigt, schüttelten die Köpfe.
»Danach…«, der Baron bestrich ein Brot mit Apfelgelee,
»… danach fahren wir wieder mit Motorkraft in die Adria hinaus, segeln ein wenig und nehmen einen späten Kaffee in Chioggia zu uns. Einverstanden?«
Mit Appetit weiterfrühstückend, nickten wir.
»Dann…«, der Baron nahm einen Schluck Kaffee zu sich,
»…dann fährt Herr Boy durch die Lagune nach Venedig
zurück, wir übrigen aber in den kleinen Badeort. Gut?«
Wir nickten wieder, immer noch dem Frühstück
hingegeben, und so ergriff der Baron das silberne Glöckchen, das auf dem Tisch stand, läutete und sagte, als der blonde junge Mann erschien: »Wir fahren, wie geplant, nach Istrien, Pietro. Paß bei der Fahrt gut auf. Vielleicht wirst du später auch mal eine Yacht besitzen.«
»Ich möchte aber keine Yacht besitzen, Herr Baron«, sagte lächelnd der junge Mann, der Pietro hieß. »Ich und mein Mädchen, wir wollen nichts, für das wir ewig schuften müssen. Ich hab mein Segelboot, und das genügt mir.«
»Und wenn nun Kinder kommen?« fragte der Baron.
»Die leisten wir uns, wenn wir’s uns erlauben können, Herr Baron«, sagte Pietro. »Sonst lassen wir’s. Das läßt sich heut ja regeln.«
»Wunschlos glücklich, wie?« fragte der Baron, und seine Stimme klang verärgert. Kurz angebunden fügte er hinzu:
»Sag nun Bescheid, daß man die Maschine anläßt.«
Die Stimmung des Barons war umgeschlagen. Das
Frühstück, das so ruhig angefangen hatte, endete mit Gereiztheit. Wir erfuhren, daß die Crew der Yacht, die Mannschaft, an diesem Tage nicht verfügbar war.
»Lauter Geburtstage, Hochzeiten oder Todesfälle«, sagte der Baron, »lauter fadenscheinige Gründe.
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