Timoken und der Trank der Unsterblichkeit
zuvor einen Afrikaner gesehen. Beri hingegen hatte schon viele gesehen. Und als sie ihn nun aus der Nähe betrachtete, bezweifelte sie, dass er ein Engel war, auch wenn er geräuschlos auf dem Dach gelandet war, als hätte er Flügel.
Timoken war bereits mit der Sprache von Ederns britischen Freunden vertraut und flüsterte ihnen schnell alles Wichtige zu, während er ihre Fesseln löste. Er erklärte ihnen, dass er die schweren Ketten vor der Tür nicht entfernen, dafür aber einen nach dem anderen durch das Loch im Dach tragen könne. Sie würden für ihre Flucht zwar gesattelte Pferde vorfinden, jedoch zu zweit auf einem Pferd reiten müssen.
Die französischen Kinder begannen nun ebenfalls untereinander zu flüstern und sobald Timoken sie verstehen konnte, wiederholte er seine Anweisungen in ihrer Sprache. Als er alle Kinder von den Fesseln befreit hatte, wandte er sich dem Käfig zu.
„Wie willst du ihn öffnen?“, fragte das Mädchen und ruckelte an den Eisenstäben.
Timoken grinste. Er verstand nun auch ihre Sprache. „Wart’s ab und sieh zu.“ Er lief um den Käfig herum und strich sich wie ein alter Mann übers Kinn.
Die anderen wurden langsam ungeduldig. „Bitte bring uns endlich hier raus. Die falschen Mönche werden uns bestimmt hören und uns einfangen, bevor wir davonreiten können.“
Timoken drehte sich zu ihnen um und zog missbilligend die Stirn in Falten. „Seid still!“, zischte er. Sein Ton war streng. „Helft euch gegenseitig und klettert einander auf die Schultern, wenn ihr nicht warten könnt.“ Er lief noch einmal um den Käfig herum. Die Tür war mit einem Vorhängeschloss versehen und der Schlüssel steckte vermutlich in der Tasche eines der falschen Mönche.
Das kleine perlenbesetzte Messer konnte hier nichts ausrichten. Alles, was Timoken einsetzen konnte, waren seine Hände. Er legte den Finger mit dem Ring auf das Schloss und murmelte: „Hilf mir, Ring! Schmelze das Schloss! Lass es aufschnappen! Öffne es!“
Das Mädchen konnte ihn nicht verstehen. „Was machst du da?“, fragte sie.
Timoken war zu vertieft, um ihr zu antworten. Sein Finger fühlte sich an, als würde er glühen. Der Schmerz war fast unerträglich. Gleich darauf hatte er das Gefühl, seine ganze Hand würde brennen, doch er ließ den Finger so lange auf dem Vorhängeschloss, bis es sich plötzlich mit einem Klick öffnete und auf den Boden fiel.
Das Mädchen starrte Timoken erstaunt an. „Also bist du ein Magier und kein Engel“, sagte sie. Vorsichtig drückte sie gegen die Käfigtür.
„Schnell!“, drängte Timoken. „Raus hier!“
In dem Moment, als das Mädchen aus dem Käfig trat, umfasste Timoken ihre Taille und flog mit ihr durch das Loch im Dach.
Als er sanft auf den Boden schwebte, sah sie bereits Flammen an dem Wohnhaus emporzüngeln. Timoken hatte einen Holzhaufen vor der Eingangstür aufgeschichtet und angezündet. Aus dem Inneren des Hauses waren die Schreie der falschen Mönche zu hören. Es gab nur ein Fenster und das stand ebenfalls in Flammen.
„Sie werden verbrennen“, stellte Beri zufrieden fest.
„Nein“, erwiderte Timoken. „Es wird regnen und das Feuer wird erlöschen.“
„Woher willst du das wissen?“ Das Mädchen sah verwirrt in sein ernstes Gesicht.
Doch Timoken ging nicht weiter darauf ein. „Such dir ein Pferd aus und warte auf die anderen“, befahl er und schob sie leicht in Richtung des Hauses.
Einige der Kinder hatten es bereits geschafft, auf das Dach zu klettern, und waren gerade dabei, auf den Boden zu springen. Timoken flog los, um nun auch die anderen zu holen. Er blieb so lange auf dem Dach, bis jeder ein Pferd gefunden hatte. Sobald alle im Sattel saßen, stieß er ein lautes Brüllen aus und Gabar trabte mit Edern auf dem Rücken zwischen den Bäumen hervor.
„Edern!“, riefen die Briten freudig überrascht. „Du hast ein Kamel gefunden.“
„Ein Kamel und einen Freund“, erwiderte Edern stolz.
Timoken sprang vom Dach der Scheune und landete sanft im Sattel des Kamels. „Reitet los!“, rief er den anderen zu. „Wir kommen nach.“
Die sechs Pferde trabten sofort los, denn ihre Reiter waren eifrig bemüht, schnell Abstand zwischen sich und die Entführer zu bringen.
„Worauf warten wir noch?“, fragte Edern unruhig.
„Es gibt noch ein Pferd“, erklärte Timoken. „Es zieht den Wagen. Ich habe es auch losgebunden, aber es rührte sich nicht vom Fleck. Die anderen Pferde hörten auf mich, folgten meinen Anweisungen und
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