Timoken und der Trank der Unsterblichkeit
wieder in den Sinn. „König zu sein, ist sowohl eine Ehre als auch eine Bürde. Ein König darf keine Angst zeigen und er kann die riesige Last der Verantwortung nur mit unserer Hilfe tragen. Vergiss das niemals.“
Edern betrachtete seinen schlafenden Gefährten mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Respekt. Ich werde es nicht vergessen, dachte er.
Er rüttelte den Afrikaner an der Schulter und Timoken fuhr aus dem Schlaf hoch. „Ich habe noch nie so fest geschlafen.“ Er gähnte und streckte die Arme aus.
„Ich denke, wir sollten uns jetzt auf den Weg machen“, sagte Edern und erinnerte ihn an ihr Vorhaben.
„Natürlich!“, rief Timoken, lief zu Gabar hinüber und begann, das Gepäck aufzuladen.
„Was hat das zu bedeuten?“, brummte Gabar.
„Tut mir leid. Aber wir müssen eine Aufgabe erfülle n – eine Rettungsaktion!“ Timoken zündete eine kleine Lampe an und hing sie vorn an den Sattel.
Langsam hob Gabar sein Hinterteil. „Rettungsaktion?“, schnaubte er. „Mitten in der Nacht?“
„Genau, und bitte steh noch nicht auf. Wir müssen erst auf deinen Rücken klettern.“
„Und dann auch noch zwei“, grollte Gabar.
Timoken lächelte nachsichtig. „Aber zum Glück wiegen wir kaum etwas, Gabar.“ Damit ließ er sich in den Sattel fallen, rief Edern zu sich und hieß ihn ebenfalls auf das Kamel klettern.
Als sie so weit waren, erhob sich Gabar und nach einem leichten Ruck an den Zügeln begann er den Bergpfad entlangzutraben. Der schmale Weg verbreiterte sich bald zu einer holprigen Straße, die von Bäumen gesäumt war, sodass Gabar keinen weiteren Absturz fürchten musste.
Während sie auf dem Kamel dahinritten, beschrieb Timoken Edern seinen Plan. Sie würden etwas abseits von der Scheune anhalten, sodass die Hunde sie nicht hören konnten. Wenn er ganz sicher war, dass sie nicht die Aufmerksamkeit der Tiere geweckt hatten, würde Timoken auf einen Baum in der Nähe der Gebäude fliegen. Von dort würde er leise mit den Hunden sprechen und ihnen befehlen, ruhig zu sein, und dann würde er die Pferde bitten, sich nicht zu rühren, während er die Stricke löste, mit denen sie an den Bäumen festgebunden waren.
„Sie bewahren das Sattelzeug in einer Hütte neben dem Wohnhaus auf“, sagte Edern. „Soll ich die Pferde satteln, während du meine Freunde befreist?“
„Nein“, erwiderte Timoken mit Nachdruck. „Das werde ich erledigen. Ich werde nach dir rufen, wenn alles in Ordnung ist. Wenn du vor Morgengrauen nichts von mir hörst, bin ich gescheitert. Dann musst du eine andere Lösung finden und allein mit Gabar weiterziehen.“
Edern hatte keinen Augenblick daran gedacht, dass Timoken scheitern könnte, und sagte nur: „Ich verstehe.“
„Aber behandle mein Kamel gut“, sagte Timoken. „Es gehört zur Familie.“
„Das werde ich“, entgegnete Edern mit belegter Stimme. „Aber du wirst nicht scheitern.“
Sie erreichten eine scharfe Kurve.
„Wir sind jetzt ganz in der Nähe der Scheune. Sie ist vielleicht noch zweihundert Schritte entfernt“, verkündete Edern.
Timoken führte Gabar zwischen die Bäume am Rand der Straße, nahm den Mondumhang aus einem der Beutel und wirbelte ihn über dem Kopf durch die Luft. Edern sah voll Ehrfurcht zu, wie sich die Wolken daraufhin verzogen und das Licht der Sterne ungehindert durch die Zweige fiel.
Im selben Moment stieß sich Timoken vom Rücken des Kamels ab und das Letzte, was Edern noch von ihm sah, war eine blasse Gestalt, die zu den Baumkronen hinaufflog. Der Mondumhang flatterte hinter ihm im Wind wie ein Paar silberne Flügel.
Als das Mädchen im Käfig durch das Loch im Dach der Scheune blickte glaubte sie einen Engel zu sehen.
Einer der Jungen bemerkte die Erscheinung ebenfalls. „Seht mal! Seht!“, rief er aufgeregt.
Beri verstand seine Sprache nicht. Sie wusste nur, dass sie sich still verhalten mussten, wenn der Engel sie befreien sollte. „Schhh!“, zischte sie. Fast gleichzeitig konnte sie den Geruch von Verbranntem riechen.
Weitere Kinder wurden jetzt wach und begannen miteinander in den verschiedenen Sprachen zu tuscheln. Doch Beri verstand keine von ihnen. Sie war die Einzige aus Kastilien.
Der Engel ließ sich auf dem Dach nieder, sah zu ihnen hinunter, legte einen Finger an die Lippen und wisperte: „Pst, seid leise!“
Augenblicklich trat Stille ein. Der Engel hatte eine dunklere Hautfarbe als die Kinder und trug eine goldene Krone. Sie hatten ein wenig Angst vor ihm, denn sie hatten niemals
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