Timoken und der Trank der Unsterblichkeit
Prinzen“, stellte Edern sichtlich beeindruckt fest und bestaunte den von Kerzenlicht erhellten Saal. An den Wänden hingen kostbare bunte Teppiche und die Balken unter der gewölbten Zimmerdecke waren mit roten und goldenen Mustern verziert.
„Ach, ist das schön, wieder mit Besteck zu essen“, sagte Gereint erfreut, der in Sachen Tischmanieren anspruchsvoller als seine Freunde war.
Mabon dagegen hielt sich nicht lange mit Messer und Gabel auf, sondern häufte die Köstlichkeiten auf einen Bronzeteller und stopfte sich gierig alles in den Mund, als würde er nie wieder etwas zu essen bekommen. Der Boden um ihn herum war in kürzester Zeit mit Knochen übersät und rund um seinen Teller lagen fettige Brotstücke und halb aufgegessene Früchte, denn er hatte sich vorgenommen, von allem zu kosten.
Timoken wechselte ein paar wehmütige Blicke mit seiner Schwester. Er erinnerte sich noch gut an die Zeit im verborgenen Königreich, als sie von goldenen Tellern gegessen und aus silbernen Bechern getrunken hatten. Andererseits kreisten seine Gedanken um die Nächte, die er zusammen mit seinen Gefährten verbracht hatte, wie sie am Lagerfeuer zusammengesessen, sich von den Früchten des Waldes ernährt und nur den sternenklaren Himmel über sich gehabt hatten. Und er fragte sich im Nachhinein, ob dies nicht vielleicht die besten Festmahle von allen gewesen waren.
Als sie schließlich keinen einzigen Happen mehr essen konnten und fast schon im Sitzen einschliefen, wurden den vier Briten die Unterkünfte gezeigt, die für sie hergerichtet worden waren. Es gab zwei Zimmer mit jeweils einem großen Himmelbett. Die Bettbezüge waren aus feinem Leinen und die Vorhänge aus schwerer Seide.
„Wir könnten doch alle in einem Bett schlafen“, schlug Edern vor.
Aber die anderen entschieden sich dagegen. Sie wollten endlich etwas mehr Platz zum Ausstrecken haben. Und weil Edern ein wenig Gedränge nichts auszumachen schien, sollte er sich das Bett mit Mabon teilen.
„Ich werde bestimmt kein Auge zutun“, flüsterte Edern Timoken zu, der mit hinaufgekommen war, um sich die Zimmer der Kinder anzusehen. „Mabon hat so viel gegessen, dass es mir jetzt schon vor den Geräuschen graut, die ich ertragen muss.“
Timoken lachte immer noch, als er sich wieder zu seiner Schwester nach unten gesellte.
„Ich habe mir immer Kinder gewünscht“, erzählte Zobayda ihrem Bruder. „Doch Tariq und ich wurden nie mit Nachwuchs gesegnet. Jetzt habe ich plötzlich fünf Kinder, für die ich sorgen kann.“
„Dabei sollten es eigentlich sechs sein“, sagte Timoken und er verspürte einen Stich im Herzen, als er an Beri dachte.
Bevor die Geschwister zu Zobaydas Haus gingen, dankten sie Francisco Padillas Koch für das vorzügliche Mahl und baten ihn, seinem Herrn die besten Wünsche auszurichten. „Um eins möchte ich noch bitten“, sagte Timoken. „Es ist viel Essen übrig geblieben. Würdet Ihr das den Waisenkindern der Stadt geben?“
„Wir tun unser Bestes“, erwiderte der Koch. „Francisco Padilla wird über deine Bitte sehr erfreut sein.“
Als sie in die kühle Nachtluft hinaustraten, fragte Timoken: „Zobayda, weißt du, wo Beri wohnt?“
„Natürlich. Jeder weiß das hier. Esteban Díaz hat ein großes Haus oberhalb der Stadt.“
„Würdest du mich dorthin bringen?“
„Timoken“, sagte Zobayda behutsam, „niemand sollte die trauernde Familie stören.“
„Bring mich trotzdem dorthin“, bat Timoken.
Also führte Zobayda ihren Bruder durch die steilen Gassen zu einem großen Gebäude, das mit wunderschönen Schnitzarbeiten verziert war. Timoken stieg die Stufen zu der hohen Eichentür hinauf und klopfte. Doch niemand antwortete. Er hörte nur ein Schluchzen hinter den dicken Mauern, das aus jedem Teil des Gebäudes zu kommen schien.
„Lass uns gehen, Timoken“, drängte Zobayda.
Doch Timoken blieb noch einen Moment stehen, obwohl er wusste, dass es aussichtslos war. Er war unsagbar traurig, wenn er daran dachte, dass er Beri niemals wiedersehen würde.
„Ich wollte mich nur von ihr verabschieden“, sagte er und wandte sich schließlich widerstrebend von der Tür ab.
An diesem Abend hatten die Geschwister einander so viel zu erzählen, dass es schon nach Mitternacht war, als sie sich endlich schlafen legten. Nur wenige Stunden später hörte Timoken ein Hämmern an der Hoftür.
„Seid ihr noch nicht fertig?“, fragte Edern, als Timokens verschlafenes Gesicht an der Tür erschien. „Die Pferde
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