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Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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verabschiedete sich. »Schreiben Sie nur weiter. Ich will Sie nicht länger aufhalten. Herrje, höchste Eisenbahn, dass ich wegkomme!«, rief er erschrocken. Er klopfte rasch seine Pfeife über meinem Goldfisch-Aquarium aus, klemmte die Dienstmütze unter den Arm und ging.

5
    Der Rummel geht los
    Da standen nun die Kinder von Timpetill auf dem Geißmarkt und wussten nicht, was sie sagen sollten.
    Thomas holte das Plakat mit dem Aufruf der Eltern aus der Tasche und las es noch einmal durch. Dann gab er es mir und zeigte auf die untere linke Ecke. Dort war mit Rotstift hingeschmiert:
    »Bleibt, wo der Pfeffer wächst. Oskar.«
    Ich zerriss wütend das Plakat und warf die Papierschnitzel in den Wind. Sie segelten lustig über die Köpfe der vielen Kinder dahin, die wortlos zu uns hinaufstarrten.
    Plötzlich meckerte Robert Punkt, der dürre Sohn des dicken Assessors:
    »Wer’s glaubt, wird selig! Mein Vater hat doch morgen einen Prozesstermin!«
    Im Nu wurde es auf dem Platz lebendig. Sämtliche Kinder schwatzten durcheinander. Jeder wollte seine Meinung zum Besten geben. »Und meine Mutter hat morgen Großreinemachen!«, rief Pussi Tucher, die Tochter des Lebensmittelhändlers, ein freches zehnjähriges Mädchen. »Die Eltern wollen uns nur Angst machen!«, schrie einer aus der Mitte, ich glaube, es war Fritz Bollner. »Auf den Schwindel fallen wir nicht rein!«
    Thomas fuchtelte wild mit den Armen und verschaffte sich einen Augenblick Ruhe.
    »Klar wie dicke Tinte!«, sagte er. »Irgend etwas ist faul im Staate Dänemark! Aber wir müssen uns jetzt überlegen, was wir anfangen wollen.«
    »Wir ziehen alle in den Stadtpark und spielen Versteck!«, schrie Karl Benz.
    »Du spinnst doch!«, fuhr ihn Thomas an. »Selber!«, erwiderte Karl Benz gekränkt. Thomas strafte ihn mit Verachtung.
    »Leute, wir müssen einen Entschluss fassen!«, wandte er sich an die andern.
    »Wieso?«, fragten mehrere.
    Thomas legte die Stirn in Falten und dachte nach. Er war unschlüssig. Die Kinder wussten nicht, was er von ihnen wollte. Ich glaube, er wusste es selber nicht. Ich zupfte ihn am Ärmel und flüsterte:
    »Dahinten geht was vor sich!«
    Thomas entdeckte jetzt erst Oskar und seine Adjutanten. Der blutige Oskar kletterte gerade auf den Brunnenrand und stellte sich breitbeinig hin. Thomas’ Blick verfinsterte sich.
    »Aha! Der Rummel geht los!«, sagte er und ballte die Fäuste. Willi blies in eine Kindertrompete, und Hannes knallte mit einem Spielzeugrevolver drauflos. Alle Kinder drehten sich erschrocken um. Oskar brüllte:
    »Piraten und Piratinnen! Hierher!«
    Die Piraten schrien begeistert:
    »Hurra, Oskar!«, und rannten über den Platz zu ihm hin. Es war fast die Hälfte der Kinder.
    Oskar fuchtelte wild mit den Händen.
    »Die Erwachsenen sind geflohen!«, schrie er. »Hurra, wir sind sie los! Sie reden sich ein, dass uns jetzt vor Angst das Herz in die Hosen rutscht! Pah! Uns stehen direkt die Haare zu Berge – vor Vergnügen! Habt ihr den blöden Aufruf gelesen? Zum Totlachen, oder? Wir glauben ihnen ja auch jedes Wort! Erwachsene lügen doch nicht! Niemals! Lügen ist doch eine Sünde, sagen sie! Hahaha!« Er grinste über das ganze Gesicht. Die Kinder bogen sich vor Lachen und klatschten in die Hände.

    »Erwachsene lügen nicht! Erwachsene lügen nicht!«, brüllten sie, und einige Jungen warfen ihre Mützen in die Luft.
    Das muss ich Oskar lassen: Er ist ein fabelhafter Redner. Aber leider kann man ihm nicht recht trauen. Er führte sicherlich Böses im Schilde. Inzwischen waren noch mehr Kinder zu Oskar hinübergelaufen.
    »Fein! Jetzt gehört die ganze Stadt uns!«, schrie der Piratenhäuptling. »Es hat ihnen keiner gesagt, dass sie abhauen sollen! Endlich können sie uns nicht mehr dazwischenquatschen! Jetzt wird’s fidel! Jetzt machen wir, was wir wollen!«
    »Halt’s Maul!«, brüllte Thomas plötzlich. Die Kinder sahen sich erstaunt nach ihm um. Aber Oskar lachte nur höhnisch.
    »Hört nicht auf den jämmerlichen Schusterjungen und seinen sauberen Freund, den Streber!«, kreischte er. »Die wollen nur, dass ihr hübsch brav seid, damit sie alles für sich allein haben!«
    »Den jämmerlichen Schusterjungen und den Streber werden wir ihm heimzahlen«, dachte ich mir.
    »Nur immer hereinspaziert, meine Herrschaften!«, grölte Oskar, als noch einige Kinder von uns fortliefen. »Oskar lässt sich nicht lumpen. Reich mir mal den Sack her, Willi!«
    Willi sprang hinzu und stellte den großen Sack neben Oskar

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