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Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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den Mund!«, sagte Thomas, es klang aber nicht unfreundlich. »Ihr könnt jetzt mit uns kommen. Wir werden später beraten, wie wir euch helfen können.«
    Otto und Trudi atmeten erleichtert auf. Wir trabten gemeinsam die Kollersheimer Straße hinauf. Die beiden Rabes erzählten uns, dass viele Kinder schon bereuten, was sie angestellt hatten. Sie trauten sich nur nicht, es zu sagen, aus Angst vor Oskar und den Piraten.
    »Vielen ist schlecht geworden«, sagte Otto. »Von der Schokolade und den Bonbons. Und vom Rauchen.«
    »Dann hatten sie Durst und wollten Wasser trinken«, rief Trudi. »Aber nirgendwo lief Wasser. Das war ein großer Schreck!«
    »Und was habt ihr gemacht?«, fragte ich.
    »Wir haben Limonade getrunken beim Greisler und im Café Kunkel«, erwiderte Otto.

    »Die Piraten haben sogar Malzbier getrunken«, warf Trudi ein.
    »Und Obst haben sie gegessen. Äpfel, Pflaumen und Birnen!«, sagte Otto.
    »Bauchweh sollen sie alle kriegen«, wünschte Heinz Himmel.
    »Haben sie auch bekommen«, erzählte Trudi eifrig. »Und der Willi hat ein großes Loch in das Billardtuch gestoßen. Und das elektrische Klavier haben sie auseinandergeschraubt, weil es nicht spielen wollte.«
    »Es gibt keinen Strom«, erklärte ich.
    »Frau Weißmüllers Ziegenbock haben sie aus dem Stall geholt«, fuhr Otto fort. »Sie wollten reiten. Aber der Bock riss sich los und sprang wie verrückt auf dem Geißmarkt herum. Er boxte alle Kinder nieder, die ihm in den Weg kamen. Viele sind auf die Laternen geklettert. Andere sind vor Angst nach Hause gelaufen. Den Hannes hat der Bock so heftig in den Rücken gestoßen, dass er sich nicht mehr hinsetzen kann, so weh tut es ihm.«
    Wir mussten schrecklich lachen und drängten uns aufgeregt durch die Kollersheimer Straße.
    »Fein!«, quietschte der kleine Heinz und hüpfte auf einem Bein.
    »Der Bock ist dann wieder in den Stall zurückgelaufen«, berichtete Trudi.
    Wir überquerten jetzt den Bahnhofsplatz.
    »Klaus Kogel wollte eine Rakete abschießen«, erzählte Otto. »Er hat sie in Lampes Parfümerie gefunden. Aber das Ding explodierte plötzlich, und Klaus hat sich die Finger verbrannt. Er war auch ganz schwarz im Gesicht.«
    Wir brüllten vor Lachen.
    »Wir wollten ihn abwaschen, aber es gab doch kein Wasser«, schwatzte Trudi drauflos. Sie schien sehr geschmeichelt, dass wir so lachten. »Da haben Willi und Hannes ihn mit Milch gereinigt. In Frau Weißmüllers Milchladen.«
    Thomas hörte auf zu lachen. »Das ist eine Schweinerei«, sagte er wütend.
    Trudi Rabe verstummte erschrocken.
    Wir bogen in die Reckenwaldgasse ein. Hier wohnt Röschen Traub. Wir brachten sie bis vor ihr Haus. Der vierjährige Peter und seine kleinen Schwestern Erika und Lore spielten im Vorgarten. Als sie Röschen sahen, jauchzten sie fröhlich auf und sprangen vor Freude herum.
    »Du gibst ihnen jetzt zu essen und bringst sie dann zu Bett!«, sagte Thomas zu Röschen.
    »Ich helfe dir«, rief Marianne. Die beiden Mädchen gingen mit den Kleinen ins Haus.
    Wir setzten uns auf die niedrige Steinmauer des Vorgartens, weil uns die Beine wehtaten. In einer Reihe saßen wir nebeneinander und stützten die Köpfe in die Hände. Im Haus hörten wir Marianne und Röschen wirtschaften. In allen anderen Häusern war es unheimlich still.
    Plötzlich sprang Thomas erregt auf und rief: »Ich habe eine Idee!«
    Wir blickten ihn gespannt an.
    »Geheimrat, wie spät ist es?«, fragte er mich hastig. »Das werden wir gleich haben«, sagte ich und zog meine Uhr heraus.
    Ich habe meine Uhr sehr gerne. Sie ist auch echt Silber. Ich trage sie in einer kleinen Tasche meiner Knickerbockerhose. An einer Patentsicherheitskette. Die Uhr habe ich zum Geburtstag bekommen. Sie hat neun Rubine! Ein Schweizer Werk. »Präzisionsarbeit«, sagte Uhrmacher Biene anerkennend, als ich sie einmal von einer Reparatur abholte. Ich habe mir ein unzerbrechliches Glas draufmachen lassen. Wenn ich abends zu Bett gehe, ziehe ich sie regelmäßig auf.
    Jetzt zeigte sie drei Viertel sieben.
    »Es ist Punkt drei Viertel sieben«, gab ich Thomas Bescheid.
    »Passt auf!«, sagte Thomas. »Wir sind ganz in der Nähe des Bahnhofes. Um sieben kommt der Zug aus Kollersheim. Wir gehen hin und sehen nach, ob die Eltern drin sind. Wenn ja, läuft Robert Punkt, weil er mit seinen langen Stelzen am schnellsten von uns rennen kann, in die Stadt und sagt den Kindern, dass die Eltern kommen. Dann kriegen sie alle Angst und räumen rasch auf. Wir halten die Eltern

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