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Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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so lange zurück. Vielleicht können wir auf diese Weise die Lage retten.«
    Wir waren begeistert.
    »Aber in den Zug gehen sie gar nicht alle rein«, sagte Karl Benz.
    »Schafskopf!«, erwiderte ich. »Es können doch Wagen angehängt sein!«
    »Also los!«, kommandierte Thomas. »Marianne! Röschen! Seid ihr bald fertig?«, rief er ins Haus.
    »Ja. Wir kommen schon!«, schrie Marianne zurück. Sie kam mit Röschen aus dem Haus gelaufen und schloss ab.
    Wir bogen wieder auf den Bahnhofsplatz ein. In drei Reihen hintereinander zogen wir zwischen den Schienen der Straßenbahn zum Bahnhof.
    Timpetill hat eine elektrische Straßenbahn, die Nummer 1. Mehr Nummern gibt es nicht. Der kleine Triebwagen verkehrt zwischen dem Bahnhof und der Langengasse bis kurz vor dem Geißmarkt. Die Elektrische fährt durch die ganze Kollersheimer Straße. Es sind elf Haltestellen. Da unser Bahnhof außerhalb der Stadt liegt, ist es für die Reisenden eine große Annehmlichkeit, wenn sie nicht zu Fuß gehen oder Herrn Pfausers Droschke nehmen müssen. Früher kamen noch viele Fremde nach Timpetill. In den letzten Jahren sind es sehr wenige geworden, weil sie alle Autos haben und unsere Stadt weitab von der Hauptverkehrsstraße liegt. Seitdem ist die Elektrische immer leer. Der Direktor vom Elektrizitätswerk fährt darin, Stationsvorsteher Werner, und auch einige Leute, die beim Bahnhof wohnen, benutzen sie, wenn sie Einkäufe in der Langengasse machen. Sonst nur wir Kinder, weil es uns Spaß macht. Der Betrieb müsste eigentlich eingestellt werden. Aber was sollen dann die beiden Schaffner und Fahrer anfangen? Zum Glück ist der Strom sehr billig. Unser Elektrizitätswerk arbeitet mit Wasserkraft. Es liegt am Timpebach. Unsere Straßenbahn ist hübsch. Ganz feuerrot. Ich stehe immer beim Fahrer vorne. Dann passe ich genau auf, wie er abfährt und anhält. Auch wie er bremst. Ich weiß schon gut Bescheid. Das war uns auch damals von großem Nutzen. Die Elektrische fuhr natürlich nicht, als die Erwachsenen alle weg waren. Da stand sie in der Remise gegenüber dem Bahnhof.
    Als wir gerade den Bahnhofsplatz überquert hatten, hörten wir schon den Zug einfahren. Jetzt nahmen wir aber die Beine in die Hand und rannten auf das kleine Bahnhofsgebäude zu. Wir schlichen an der Wand entlang. Thomas schaute vorsichtig um die Ecke. Dann drehte er sich um und flüsterte: »Sie sind nicht drin!«
    Wir gingen auf den Bahnsteig. Der Schaffner stand bei der Lokomotive und sprach mit dem Lokomotivführer. Der hatte den Kopf aus dem Führerstand herausgestreckt. Er wartete sicherlich auf den Stationsvorsteher wegen des Abfahrtssignals. Es guckten auch einige Passagiere neugierig aus den Fenstern. Ausgestiegen war niemand. Der Schaffner winkte uns heftig herbei. Wir liefen hin.
    »Wo ist denn Herr Werner?«, schnaufte er ärgerlich durch die Nase. Thomas drängte sich vor. »Er ist in seinen Diensträumen und kann im Augenblick nicht herauskommen«, erwiderte er rasch. »Er hat gesagt, Sie möchten doch bitte abfahren.«
    »So? Er kann im Augenblick nicht herauskommen?«, fragte der dicke Schaffner. »Was hat er denn?«
    Thomas zögerte nicht eine Sekunde mit der Antwort: »Er hat Kopfschmerzen.«
    »Kopfschmerzen!« Der Schaffner fing dröhnend zu lachen an. Der Lokomotivführer lachte, und die Reisenden lachten auch. Der Schaffner zog seine Trillerpfeife und pfiff. Die Lokomotive zischte, weiße Dampfwölkchen pufften an beiden Seiten heraus, und der Zug setzte sich langsam in Bewegung. Der Schaffner schwang sich auf das Trittbrett des letzten Wagens und winkte uns zu. Er lachte immer noch so heftig, dass sein dicker Bauch auf und ab hüpfte. Dann rollte der Zug über die Timpebachbrücke und verschwand in der Ferne. Wir blickten ihm lange nach.
    »Die Eltern sind nicht gekommen«, sagte Röschen Traub plötzlich. Es klang sehr kleinlaut.
    »Sie sind also doch in den Reckenwald gezogen«, meinte Thomas. »Dann kommen sie sicher heute Abend wieder.«
    »Warum hast du dem Schaffner gesagt, dass Herr Werner Kopfschmerzen hat?«, fragte ich.
    Thomas starrte auf seine Schuhe: »Ich konnte doch nicht sagen, dass unsere Eltern alle ausgerückt sind.«
    »Warum nicht?«, riefen Trudi und Otto.
    »Darum nicht«, erwiderte Thomas heftig. »Das geht keinen etwas an. Sie hätten auch todsicher geglaubt, dass ich schwindle.«
    »Geschwindelt hast du aber doch«, sagte Marianne lachend.
    »Das ist etwas anderes«, belehrte Thomas sie. »Ich habe wegen unserer Ehre

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