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Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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Thomas.
    Die Kirchenglocken dröhnten ganz in unserer Nähe. Wir hatten das Gefühl, als ob ein Aufruhr ausgebrochen wäre.
    »Ich halte das nicht mehr aus!«, rief Marianne. Sie lief zur Steinbrüstung und schrie hinunter: »Hallo-o-o!!«
    Aber Thomas war blitzschnell aufgesprungen und hielt sie am Arm fest. »Um Gottes willen! Nicht unser Versteck verraten!«, sagte er.
    »Sie haben eine Stinkwut auf uns, weil wir nicht mitmachen«, fügte ich erklärend hinzu.
    »Aber wir können doch nicht bis heute Abend hier oben sitzen«, sagte Marianne.
    »Wir gehen nicht in unsere Wohnungen«, erklärte Heinz ihr, »weil sie uns vielleicht überfallen wollen.«
    »Kommt doch zu mir«, schlug Marianne vor. »An mich denken sie bestimmt nicht.«
    »Keine schlechte Idee«, bemerkte Thomas anerkennend. »Tipptopp sogar!«, rief ich, »vielleicht kriegen wir bei dir was zu essen. Ich habe einen Mordshunger!«
    »Ehrensache«, sagte Marianne. »Ihr könnt Butterbrote mit Marmelade haben.«
    »Au fein!«, schrie Heinz. Er strahlte. Zu Marianne ging er gern. Da war es hell und freundlich. Und man bekam immer etwas angeboten. Konfekt. Oder Kakao mit Kuchen.
    Wir liefen die Wendeltreppe hinunter. Thomas schaute auf die Straße. »Niemand zu sehen«, sagte er.
    Wir flitzten hinaus und rannten, so rasch wir konnten, die Pfarrgasse entlang. Wir huschten in Mariannes Haus. Vor ihrer Wohnung blieb Marianne erschrocken stehen. »Oh je!«, rief sie aus. »Jetzt ist die Türe zu, und ich habe keinen Wohnungsschlüssel!«
    »Lebwohl, Butterbrot mit Marmelade!«, knurrte Thomas. »Nur nicht verzweifeln«, sagte ich und zog ein Stück Draht aus der Tasche. Ich machte einen Haken hinein und steckte ihn in das Schlüsselloch. Eins, zwei, drei, das Schloss schnappte ein – die Tür sprang auf. »Bravo!«, schrie Marianne begeistert.
    »Geheimrat, ich ernenne dich zum Einbrecherkönig!«, sagte Thomas lachend.
    Wir gingen in die Wohnung, Marianne machte die Tür zu und legte die Sicherheitskette vor. Dann führte sie uns in die »Gute Stube«. Thomas blickte sich bewundernd um. »Sehr elegant«, sagte er anerkennend. Marianne hörte aber gar nicht hin, sondern lief in die Küche. Wir hörten sie trällernd mit Geschirr klappern. Kurze Zeit darauf brachte sie ein Tablett mit Marmeladebroten. Und vier Gläser Milch.
    »Hurra!«, schrien wir und langten tüchtig zu.
    »Mahlzeit!«, sagte Marianne. »Mahlzeit!«, erwiderten wir.
    Es war sehr gemütlich. Plötzlich läutete es an der Haustür. Wir blickten uns erschrocken an.
    »Wer kann das sein?«, fragte ich halblaut.
    »Vielleicht der Briefträger«, meinte Marianne und ließ den Mund offen stehen.
    »Unsinn«, sagte ich. »Herr Krüger ist doch auch nicht in der Stadt geblieben.«
    Jetzt bimmelte es wieder. »Das ist eine Falle«, flüsterte Heinz.
    Thomas legte den Finger auf den Mund. »Pst«, hauchte er und schlich auf den Korridor bis zur Wohnungstür. Er schaute durch das Guckloch, dann kam er rasch zurück. Wir sahen ihn gespannt an.
    »Karl Benz steht draußen«, sagte er. »Er sieht verheult aus.«
    »Bleibt hier, ich werde hingehen!«, schlug Marianne vor. Thomas nickte. Marianne eilte zur Tür und öffnete sie, ohne die Sicherheitskette abzunehmen. »Was willst du?«, fragte sie.
    »Au! Au! Au! Ich hab’ solche Zahnschmerzen!«, hörten wir Karl Benz klagen.
    Thomas lief zum Fenster und blickte hinaus. »Niemand unten«, sagte er. »Er kann reinkommen!«, rief er Marianne zu. Sie machten die Tür jetzt ganz auf. Karl Benz trat heulend ein. »Au! Mein Zahn! Mein Zahn!«, stöhnte er.
    »Was ist denn mit deinem Zahn?«, fragte Marianne und rümpfte verächtlich die Nase.
    »Na, weh tut er!«, schrie Karl Benz wütend. »Au! Au! Au!«
    »Warum tut er denn weh?«, fragte Marianne wieder. »Darum!«, wimmerte Karl Benz. »Ist dein Vater da?«
    »Mein Vater ist auf dem Mond«, sagte Marianne.
    Jetzt brach Karl Benz in Tränen aus. »Es tut so weh! Es tut so, so-o-o weh!«, weinte er.
    »Das ist echt!«, sagte Thomas zu uns. »Der schwindelt nicht.«
    Marianne blickte Thomas fragend an. Thomas nickte zustimmend. »Komm rein! Vielleicht kann ich dir helfen!«, sagte Marianne zu Karl Benz. »Aber heul nicht! Bist doch kein kleines Mädchen!«
    Sie führte ihn in das Behandlungszimmer ihres Vaters. Wir folgten ihnen.
    »Setz dich da auf den Stuhl!«, sagte Marianne geschäftig und wies auf den schrecklichen Operationssessel.
    »Und warum?«, fragte Karl Benz misstrauisch. Plötzlich erblickte er

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