Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
Vom Netzwerk:
Geißmarkt schaffen«, meinte Robert Punkt.
    »Ausgeschlossen«, fuhr Thomas ihn an. »Wir werden doch das kranke Pferd nicht einspannen!«
    »Ziehen wir selber den Wagen«, rief Otto Rabe.
    »Bravo, Otto!«, sagte Thomas.
    Wir waren über Ottos Vorschlag begeistert. Nur der dicke Paul verzog das Gesicht. »Ich bin doch kein Droschkengaul«, brummte er missgelaunt.
    »Aber Milch willst du morgen Früh trinken!«, schimpfte Thomas.
    »Faulpelz!«, sagte Marianne und warf dem dicken Paul einen strafenden Blick zu.
    Der schämte sich jetzt. »Na ja«, seufzte er. »Wenn es nicht anders geht …«
    Wir schoben den Wagen rückwärts aus dem Stall und zogen ihn durch das Tor auf die Gasse.
    Draußen teilte Thomas uns ein.
    »Max, Gustav, Walter, Karl Benz, Robert Punkt, Geheimrat und ich ziehen vorne an der Deichsel! Die Mädchen, Paul und Heinz schieben hinten an!«, kommandierte er.
    So zogen wir mit der Droschke über den Bahnhofsplatz. Wir fuhren an der Verladerampe vor. Die Milchkannen waren furchtbar schwer, wir konnten sie kaum vom Bahnsteig bis zur Droschke schleppen. Nur mit allergrößter Anstrengung gelang es uns, die Kannen im Wagen zu verstauen. Eine fiel uns leider aufs Pflaster. Der Deckel sprang ab, und die ganze Milch ergoss sich in den Rinnstein. Wir schöpften mit den Händen und Ottos Mütze, soviel wir retten konnten, in die Kanne zurück. Der dicke Paul wollte sogar seine Jacke ausziehen, sie in die Milch am Boden tunken und dann über der Kanne auswringen. Aber Thomas erlaubte es nicht. Pauls Jacke war ihm nicht sauber genug. Wir konnten auch nicht alle Milchkannen unterbringen. Vier hatten auf dem Rücksitz der Droschke Platz, zehn auf dem Fußboden, und drei stellten wir auf den Bock. Drei Milchkannen mussten zurückbleiben. Darunter die verunglückte. Nun waren wir endlich fertig, und die Fuhre konnte losgehen. Wir eilten an unsere Plätze und wollten schon losfahren, als Thomas uns noch zurückhielt.
    »Einer muss auf dem Bock sitzen«, sagte er. »Wegen der Bremse, wenn es bergab geht.«
    Sofort entstand ein wildes Geschrei. Jeder von uns wollte für sein Leben gern den Sitz auf dem Bock einnehmen. Besonders der dicke Paul schrie in einem fort: »Ich bin ein fabelhafter Bremser! Ich bin ein fabelhafter Bremser!«
    Ich hätte auch gern auf dem Bock gesessen, aber ich sah ein, dass meine Kraft an der Deichsel notwendig war. Die Droschke war mit den vollen Milchkannen schrecklich schwer vorwärts zu bewegen.
    »Lasst Röschen oben sitzen«, schlug ich vor. »Sie ist die kleinste und leichteste von uns.«
    Aber Thomas widersprach: »Röschen ist nicht kräftig genug zum Bremsen. Ich bin für Marianne. Sie ist auch leicht, aber stärker.«
    Marianne strahlte und warf Thomas einen dankbaren Blick zu. »Au fein!«, rief sie und klatschte in die Hände. Thomas errötete, tat aber so, als ob er sie gar nicht beachtete. Die andern wollten protestieren, aber Marianne war rasch auf den Bock geklettert. Sie musste die Beine auf die Milchkannen legen, weil sie sonst nicht hätte sitzen können. Sie nahm die Peitsche zur Hand, knallte lustig drauflos und rief: »Hüh! Hott!«
    »Die Peitsche brauchen wir nicht!«, schrie der dicke Paul erbost. Er schnaufte mächtig beim Schieben und fing gleich an zu schwitzen. Die Sonne war untergegangen. Es begann dunkel zu werden. Thomas trieb uns zur Eile an. Zuerst klappte es wie geschmiert. Wir fuhren auf den Straßenbahnschienen die Kollersheimer Straße hinunter. Es ging leicht bergab, und Marianne musste öfters die Bremse betätigen. Unterwegs trafen wir kleinere Gruppen von Jungen und Mädchen. Sie schlichen mit gesenkten Köpfen nach Hause. Als sie unsere seltsame Fuhre erblickten, rissen sie erstaunt die Augen auf und drückten sich scheu in die Hauseingänge. Sie waren jetzt alle sehr kleinlaut und fürchteten sich vor der Dunkelheit. Die Straßenlaternen brannten nicht. Der Mond war hinter einer schwarzen Wolkenwand verschwunden. Wenn wir den Kindern zuriefen, dass sie uns helfen sollten, rannten sie weg. Sie trauten uns nicht recht über den Weg; sie fürchteten, dass Thomas, Heinz und ich jetzt Rache nehmen würden für den heimtückischen Angriff auf dem Geißmarkt. Wahrscheinlich waren sie auch hungrig und müde. Wir kümmerten uns nicht mehr um sie, sondern trabten mit unserer Droschke eilig weiter. Doch nun ging es bergan. Wir mussten uns entsetzlich anstrengen. Mit einem Mal war es aus. Kurz vor der Anhöhe blieben wir stecken. Marianne sprang vom Bock

Weitere Kostenlose Bücher