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Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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Puppenwagen standen verwaist um den Brunnen. Das Indianerzelt war nicht abgebaut. Das Motorrad lehnte an einem Laternenpfahl. Der ganze Platz war übersät mit Papierfetzen, angebrochenen Schokoladentafeln, Bilderbüchern, Indianerfedern, Uniformstücken und allem Möglichen. Es sah schlimm aus.
    Wir steuerten jetzt mitten durch den ganzen Kram auf Frau Weißmüllers Milchladen zu.
    Thomas, der an der Spitze der Deichsel zog, drehte sich zu uns um und schrie: »Hier müssen wir noch aufräumen!«
    »Lasst doch die Bande selber aufräumen!«, rief Heinz, der hinten schob.
    »Wir können sie nicht zwingen«, erwiderte Thomas. »Wir werden noch mit ihnen abrechnen. Aber heute ist es zu spät. Die Eltern dürfen diese Bescherung nicht sehen! Wir müssten uns ja zu Tode schämen!«
    »Sehr richtig!«, rief ich.
    Marianne rief vom Bock herunter: »Ich habe keine Lust, in ein Internat zu kommen!«
    Die andern Kinder waren verstummt. Die Reue hatte sie gepackt. »Also los!«, kommandierte Thomas. »Beeilt euch!«
    Wir waren jetzt am Ziel angelangt. In großer Eile schafften wir die Milchkannen in den Kühlraum neben dem Laden. Röschen Traub musste uns mit meiner Taschenlampe leuchten. Es ging sehr rasch, weil die Kinder, die sich uns unterwegs angeschlossen hatten, tüchtig mithalfen. Als wir fertig waren, machten wir die Ladentür zu und zogen die Rolljalousie herunter. Wir standen vor dem Geschäft und betrachteten das Trümmerfeld auf dem Geißmarkt. Sooft ein Blitz am Himmel aufzuckte, konnten wir deutlich sehen, dass wir noch mächtig zu schuften hatten.

    »Wir müssen alles an Ort und Stelle zurückbringen«, sagte Thomas.
    »Aber in den Läden ist doch kein Licht«, warf Robert Punkt ein.
    »Wir holen uns sämtliche Taschenlampen von Hase«, schlug ich vor. Wir liefen in Hases Fahrradgeschäft und suchten in den Regalen, bis wir die Taschenlampen gefunden hatten. Jeder bekam eine, dann rannten wir zum Geißmarkt zurück.
    Ein geschäftiges Treiben begann. Wir verteilten uns über den ganzen Platz, und jeder sammelte auf, was er fand. Wie die Heinzelmännchen liefen wir emsig zwischen dem Geißmarkt und den Läden in der Langengasse hin und her. Die Strahlen unserer Lampen huschten geheimnisvoll an den Häuserwänden entlang. Das Gewitter kam unheimlich rasch näher. Grelle Blitze zuckten auf. Die Donnerschläge wurden immer lauter, und die ersten dicken Regentropfen fielen vom Himmel. Die Fahrräder nahmen wir auf den Buckel und schleppten sie im Laufschritt in Hases Geschäft zurück. Dann kamen die Roller und Puppenwagen, die kleinen Autos und die fliegenden Holländer dran. Thomas, Fritz Schlüter und ich schoben das Motorrad; Heinz, Robert Punkt und Max Pfauser brachen das Indianerzelt ab. Die andern Jungen sammelten die Waffen, Federn und Uniformstücke ein. Die Mädchen trugen die Puppen, Bälle und Bilderbücher in Meiers Spielwarenhaus zurück. Der dicke Paul steckte alle Schokoladentafeln in seine Hosentaschen. Viel schneller als wir erwartet hatten, waren wir mit der Arbeit fertig. Zum Schluss fegte noch ein toller Sturmwind über den Platz. Er wirbelte die Papierfetzen vor sich her und jagte sie hoch in den Lüften davon.
    »Das Gewitter hilft uns!«, schrie Thomas aufgeregt und vergnügt.
    Mittlerweile war es auch höchste Zeit geworden, dass wir uns in Sicherheit brachten. Ein Wolkenbruch prasselte herunter, Blitz und Donner folgten ununterbrochen dicht aufeinander. Im Nu stand der ganze Geißmarkt unter Wasser. Wir flüchteten in den Toreingang des Milchladens. Röschen Traub hielt sich beide Ohren zu, kniff die Augen zusammen und schrie bei jedem Donnerkrachen: »Oh Gott!«
    »Die Droschke!«, schrie Max besorgt. Sie stand ohne Verdeck im strömenden Regen.
    Thomas’ Stimme dröhnte lauter als der Donner: »In den Toreingang mit ihr!«
    Wir schoben die Droschke rasch in den Toreingang. Dann standen wir alle auf engem Raum zusammengepresst und starrten in das Unwetter hinaus.
    »Wie kommen wir bloß nach Hause!«, jammerte Trudi Rabe. Thomas dachte angestrengt nach. »Wir warten das Gewitter ab«, schlug er vor.
    »Teufel noch mal!«, schrie Karl Benz. »Hier können wir aber nicht stehenbleiben!«
    Der Sturmwind wehte die Regenschauer unmittelbar in den Toreingang. Wir waren schon alle pudelnass.
    »Laufen wir in das ›Goldene Posthorn‹!«, brüllte ich.
    Wir warteten noch einen Blitz ab, der besonders schaurig war, dann fassten wir uns alle bei den Händen und rannten, mitten durch die Pfützen,

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