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Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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klebten den Zettel mit Spucke an die Speisekammertür. Dann schickten wir die Mädchen mit dem Korb ins Gastzimmer, die sollten die Kartoffeln und Zwiebeln schälen. Inzwischen wollten wir im Herd in der Küche Feuer machen. Aber unser Schreck war groß, als wir entdeckten, dass das ein ganz moderner elektrischer Herd war. Und es gab doch keinen Strom. Daran hatten wir nicht gedacht.
    »Jetzt ist die heiße Suppe ins Wasser gefallen«, meinte Karl Benz mit Galgenhumor.
    Der dicke Paul rief hoffnungsfroh: »Essen wir doch Konserven! Da gibt es Sardinen! Und Lachs! Und Würstchen! Und Krabben! Und gefüllte Rollmöpse …!«
    »Du bist selber ein gefüllter Rollmops!«, sagte Robert Punkt ärgerlich.
    »Und du bist ein gepökelter Stockfisch!«, erwiderte der dicke Paul wütend.
    Wir mussten lachen. Der hagere Robert sah wirklich wie ein Stockfisch aus. Aber er war ein anständiger Kerl. Wir trennten die beiden Streithähne und berieten, was wir nun machen sollten.
    »Ihr Dummköpfe!«, schrie ich plötzlich. »Im Kamin hängt doch ein kupferner Kessel!«
    Wir rannten ins Gastzimmer. Richtig, dort im Kamin hing an einer Kette über dem Feuer der kupferne Kessel. Er war innen blitzsauber. Wir nahmen ihn ab und liefen in die Küche zurück, um ihn mit Wasser zu füllen. Aber nun erlebten wir eine neue Enttäuschung: Denn wir hatten vergessen, dass das Wasserwerk abgestellt war.
    Fritz Schlüter ballte verzweifelt die Fäuste. »Diese Eltern! Diese Eltern! Wie die uns das Leben sauer machen!«
    Aber Thomas fing laut zu lachen an. »Es regnet doch, ihr Hammelknochen!«
    Wir rissen verblüfft die Augen auf. Wir dachten zuerst, er sei verrückt geworden.
    »Dass es regnet, sieht auch ein Blinder mit ’nem Krückstock«, sagte Ludwig Keller, der sonst selten den Mund aufmacht.
    »Ihr seid ja gottverlassene Strohköpfe!« Thomas machte sich lustig über uns. »Wir füllen ganz einfach den Kessel mit Regenwasser!«
    »Natürlich!«, brüllten wir los. »In der Regentonne ist Wasser genug«, rief Otto Rabe. Wir stürmten den Gang hinunter, um auf den Hof zu laufen.

    Doch Robert Punkt schrie plötzlich ganz laut: »Halt!«
    Wir drehten uns erschrocken um. »Was brüllst du denn so?«, fragte ich.
    »In der Regentonne habe ich mir das Gesicht gewaschen«, sagte Robert Punkt und grinste schadenfroh. Das war seine Rache, weil wir ihn als »Schwarzen Peter« verspottet hatten.
    »Stellen wir doch den Kessel hinaus in den Regen!«, schlug Ernst Werner vor.
    Das taten wir nun auch. Thomas hüpfte auf bloßen Füßen in die Mitte des Hofes und setzte den Kessel auf die Erde nieder. Es regnete noch, aber leider nicht mehr so heftig wie zuvor. Deshalb dauerte es schrecklich lange, bis der Kessel halb voll war. Ab und zu musste einer von uns hinrennen und nachsehen. Endlich war es soweit. Triumphierend schleppten wir den Kessel ins Gastzimmer. Die Mädchen waren schon längst mit dem Schälen fertig. Sie hatten ungeduldig auf uns gewartet. Als wir kamen, nahmen sie uns geschäftig den Kessel aus den Händen und hängten ihn über das Feuer. Marianne und Röschen warfen die Kartoffeln, die Zwiebeln und die Suppenwürfel hinein. Trudi tat die Margarine dazu, und Erna schmiss noch eine Handvoll Salz nach. Dann rührten sie alle vier mit großen Holzlöffeln in dem Kessel herum.
    »Viele Köche verderben den Brei«, murmelte der dicke Paul.
    Marianne schmeckte ab. Sie rümpfte die Nase und machte erschrockene Kulleraugen.
    »Es schmeckt nach Regenwasser!«, sagte sie kleinlaut.

10
    Wer fürchtet sich vor Gespenstern?
    Die heiße Suppe schmeckte uns aber trotzdem sehr gut. Der dicke Paul kratzte sogar die Reste fein säuberlich aus dem Kessel und verzehrte sie. Nachdem wir gegessen hatten, wuschen wir die Löffel und die Teller in der Regentonne ab und taten das Geschirr in den Kasten zurück. Inzwischen war das Kaminfeuer ausgegangen. Wir waren alle schrecklich müde geworden, wir konnten kaum noch die Augen offen halten. Thomas ging zum Fenster und blickte hinaus.
    »Es regnet nicht mehr!«, rief er uns zu.
    »Dürfen wir nach Hause gehen?«, fragte Robert Punkt und gähnte.
    »Klar!«, erwiderte Thomas. »Alle marsch in die Betten!«
    »Was sollen Otto und ich machen?«, jammerte Trudi Rabe. »Wir können nicht in die Wohnung.«
    »Kommt doch mit zu uns!«, sagte Erna Schlüter. »Wir haben Platz genug.
    »Au fein!«, rief Trudi Rabe.
    »Ihr ›Rabenkinder‹ müsst aber einen Zettel an eure Wohnungstür machen, dass ihr bei Schlüters

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