Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
Vom Netzwerk:
quietschend und kreischend, quer über den Geißmarkt zum »Goldenen Posthorn« hinüber.

9
    Der Mensch muss auch essen
    »Ich friere«, sagte Röschen Traub weinerlich.
    Wir hockten trübsinnig im Gastzimmer des »Goldenen Posthorns« auf Stühlen und Tischen. Unsere Kleidung war ganz nass; besonders schlimm war es mit den Schuhen und Strümpfen. Draußen prasselte der Regen gegen die Scheiben. Hin und wieder fuhr noch ein Blitz herab, und der Donner grollte. Aber das Gewitter war schwächer geworden. Ich hatte mit Hilfe meines Gürtels zwei brennende Taschenlampen am Kronleuchter befestigt. So saßen wir wenigstens nicht im Dunkeln.
    »Wir werden uns alle erkälten«, seufzte Marianne und schüttelte ihre nassen Locken.
    »Ein warmer Ofen wäre jetzt herrlich«, sagte der dicke Paul mit Grabesstimme.
    »Hier ist leider Zentralheizung«, erwiderte ich. Plötzlich fiel mein Blick auf den altmodischen offenen Kamin, der sich in der Mitte der Längswand befand. »Leute!«, rief ich aufgeregt. »Da ist doch ein Kamin! Wir machen Feuer an und trocknen unsere Sachen!«
    »Ja! Ja! Ja!«, riefen sie alle. Wir sprangen auf und liefen zum Kamin. Ich leuchtete mit meiner Taschenlampe hinein. »Ich glaube, der ist echt«, stellte ich erfreut fest.
    Robert Punkt, der sehr lang und dünn ist, kletterte ganz in den Kamin, um den Abzug zu untersuchen. Nach einer Weile kam er wieder zum Vorschein und sagte:
    »Ich fresse einen Besenstiel, wenn das kein Schornstein ist!«
    Wir brachen in ein brüllendes Gelächter aus, weil sein Gesicht ganz mit Ruß beschmiert war. Robert Punkt dachte, dass wir über seinen großartigen Witz lachten, und grinste geschmeichelt.
    »Schwarzer Peter! Schwarzer Peter!«, riefen die Mädchen und wollten sich ausschütten vor Lachen.
    Er holte seinen Taschenspiegel hervor und betrachtete sich erschrocken. Dann lief er schnurstracks hinaus.
    »Er ist eingeschnappt«, meinte Karl Benz.
    »Einen Kamin hätten wir«, unterbrach uns Thomas. »Jetzt brauchen wir Holz.«
    Wir ergriffen unsere Taschenlampen und rannten durch einen langen Gang, an der großen Küche vorbei, zum Hinterhof. Der Schuppen befindet sich gleich hinter dem Haus. Als wir mit großen Sprüngen über die Pfützen setzten, schrie jemand erschrocken auf. Es war Robert Punkt, der sich in der Regentonne das Gesicht wusch. Er wäre vor Schreck beinahe hineingeplumpst. Im Schuppen war eine Menge Brennholz aufgestapelt. Wir packten uns soviel auf, wie wir schleppen konnten, und liefen ins Gastzimmer zurück. Dann suchten wir ein paar alte Zeitungen zusammen. Die legten wir zuunterst in den Kamin und schichteten Holzscheite darüber. Jetzt wollten wir das Papier anzünden, aber keiner von uns hatte Streichhölzer.
    Wir gingen mit unseren Taschenlampen auf die Suche, aber im ganzen Haus konnten wir nicht ein einziges Streichholz entdecken.
    »So ein Reinfall!«, sagte Karl Benz.
    Thomas drehte sich zu mir um. »Geheimrat!«, sagte er ernst. »Erfinde etwas, womit man Feuer machen kann.«
    Die andern blickten mich erwartungsvoll an.
    Ich nahm meine Brille ab und wischte die Regentropfen von den Gläsern. Ich dachte angestrengt nach.
    »Ist schon lange erfunden!«, rief ich plötzlich und schoss wie ein geölter Blitz zur Tür hinaus. Mir war eingefallen, dass es in Hases Fahrradgeschäft Feuerzeuge geben musste. Ohne auf den Regen zu achten, flitzte ich in die Langengasse. Eine Minute später war ich mit einem Feuerzeug wieder im »Goldenen Posthorn«. Ich lief wortlos durch das Gastzimmer in die Küche. Ich hoffte, dort Benzin zu finden.
    »Hurra!«, schrie ich. Ich hatte in einem Kasten eine halbgefüllte Benzinflasche aufgestöbert.
    Die andern waren mir nachgelaufen. Als sie sahen, wie ich das Benzin in das Innere des Feuerzeuges tröpfeln ließ, tanzten sie begeistert um mich herum. »Großartig! Ein Feuerzeug!«, brüllten sie durcheinander.
    Die Mädchen klatschten vor Freude in die Hände. »Manfred ist süß!«, riefen sie.
    Ich war sehr stolz. Als ob ich soeben selber das Feuerzeug erfunden hätte. Wir eilten ins Gastzimmer. Ich kniete vor dem Kamin nieder und knipste das Feuerzeug an. Es funktionierte. Dann steckte ich das Papier in Brand. Es flammte hell und lustig auf. Bald darauf hatten wir ein prasselndes Holzfeuer. Unser Jubel war groß. Wir zogen die Schuhe und Strümpfe aus und stellten sie in einem Halbkreis vor den Kamin. Dann rückten wir Stühle und Tische in die Nähe des Feuers. Wir setzten uns so, dass unsere Kleider trocknen

Weitere Kostenlose Bücher