Tina und Tini 04 - Tina und Tini und das Geheimnis des schwarzen Hundes
ihm. Er vertreibt mir ein wenig die Einsamkeit. Seit dem Tod meines Mannes ist es sehr still um mich geworden. Meine Kinder sind erwachsen und haben selten Zeit, mich zu besuchen. Meine einzige Sorge ist, daß Flocki sich vielleicht mit mir zu sehr langweilt. Er ist jung und möchte herumtoben — und ich bin alt und seinem Temperament nicht mehr so recht gewachsen.“ Die Kinder schauten sich an. Jeder ermunterte den anderen durch Blicke, auszusprechen, was sie alle dachten. Schließlich platzte Tina heraus: „Frau Neumann — wenn Sie möchten, daß mal jemand so richtig mit Flocki tobt — ich meine — nun, das könnten wir doch machen. Er scheint sich mit Racker gut zu verstehen. Wir könnten die beiden spazierenführen, sie mit zum Baden nehmen unten am Fluß...“
„Das ist eine gute Idee!“ sagte Frau Neumann lebhaft. „Allerdings habe ich eine Bedingung: Wenn ihr zurückkommt, müßt ihr jedesmal ein bißchen bei mir bleiben — mir von euch erzählen, von euren Erlebnissen — ich werde dafür sorgen, daß Kekse, Eiscreme oder Kuchen da sind, wenn ihr kommt. Einverstanden?“
„Prima — so werden wir’s machen!“ sagte Tini strahlend und kraulte Flocki zärtlich den Nacken.
Eine aufregende Geschichte
Schon am Nachmittag holten sie Flocki zu einem Spaziergang ab. Frau Greiling hatte die Kinder gebeten, für sie im Dorf ein paar Besorgungen zu machen. So wanderten sie im Gänsemarsch die Dorfstraße hinauf, Tobbi mit den Taschen voraus, dann folgte Tini mit Flocki an der Leine und hinter ihr Tina, die Mühe hatte, den widerstrebenden Racker hinter sich herzuziehen. Denn ständig entdeckte er am Weg etwas, was seine Neugier reizte.
„Flocki zieht nach vorn, Racker nach hinten, wenn die beiden auf einem Fleck bleiben sollen, brauchen wir sie eigentlich nur aneinanderzubinden!“ stöhnte Tina. „Ich hab gar nicht gewußt, daß der Kerl so eine Kraft hat!“
„Nun, bei den Großeltern durfte er ja auch immer frei herumlaufen, er ist nicht daran gewöhnt, an der Leine zu gehen“, meinte Tobbi.
„Flocki aber auch nicht, mir wird schon der Arm lahm“, seufzte Tini.
„Haben wir noch viel zu besorgen? Schau mal auf deinen Zettel“, fragte Tina den Bruder.
„Nur noch Blumendraht und einen neuen Stiel für den Spaten beim Eisenhändler. Und in der Apotheke eine Kleinigkeit. Und drunter steht noch was — ganz klein geschrieben, ich kann’s nicht richtig lesen. Was Mutti sich wohl dabei gedacht hat“, brummte er ärgerlich.
„Zeig mal her!“ Tini rückte ihre Brille zurecht und studierte Frau Greilings Einkaufszettel. Plötzlich lachte sie laut. „Eure Mutter ist wirklich große Klasse! Wißt ihr, was da steht? ,Und nun in die Konditorei Lämmle und ein Eis auf Muttis Kosten essen!’ Was sagt ihr dazu!“
„Mutti bekommt einen Hausorden in Gold. Ein Himbeer-Eis mit Schlagsahne ist genau das, was mir heute noch zu meinem Glück gefehlt hat.“
Die restlichen Besorgungen waren schnell erledigt. Bald saßen sie vor der kleinen Konditorei im Schatten einer buntgestreiften Markise und schleckten genießerisch große Portionen Eis mit Sahne. Flocki und Racker durften die Eiswaffeln verzehren.
Am Bordstein hielt ein schnittiges Coupé, aus dem eine etwas füllige Dame mit einer dunklen Lockenmähne stieg. Tina stellte mit einem Blick fachmännisch fest, daß sie schick gekleidet war. Aber ihr Gesicht erinnerte an ein Blumenbeet, über das gerade ein Gewitter niedergegangen ist. Die Augen waren gerötet, der Lidschatten und die Wimperntusche zerlaufen und der Lippenstift verschmiert. Else, die Bedienung, die gerade aus dem Verkaufsraum trat und ein Tablett mit Kuchen vor sich her balancierte, erstarrte vor Staunen, und das Tablett geriet bedenklich ins Wanken.
„Frau Reichert! Ist Ihnen nicht gut?“ stotterte Else.
„Ach...“, schluchzte die Angesprochene und ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen. Dann suchte sie in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch und der Puderdose und warf einen Blick in den Spiegel. Beim Anblick ihres Gesichts schluchzte sie von neuem auf.
„Kein Wunder“, flüsterte Tina. „Wenn ich so aussähe, würde ich auch heulen.“
Tobbi trat ihr unter dem Tisch kräftig auf den Fuß. Inzwischen hatte Fräulein Else unaufgefordert eine Tasse Kaffee vor die verzweifelte Dame gestellt und wartete neugierig auf eine Erklärung.
„Ich war bei der Polizei!“ stieß die Dame hervor, als sie ihr Make-up repariert hatte.
„Bei der Polizei?“ fragte Else
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