Tina und Tini 09 - Geisterstimmen im Park
Blumenstrauß, Tini den Korb mit den Kirschen, den sie ebenfalls mit Blumen geschmückt hatte, und Tina in einem Korb, der mit einem Tuch abgedeckt war, den frischgebackenen Kirschkuchen nach Muttis Spezialrezept.
„Sollen wir schon klingeln?“ fragte Tobbi.
„Nein, warte noch“, wehrte Tini ab. „Vielleicht empfindet sie es als unhöflich, wenn wir zu früh kommen.“
In diesem Augenblick näherten sich Schritte dem Tor. Tina sah durch das hohe Eisengitter und machte den anderen erschreckt ein Zeichen, sich zu verstecken. Tobbi und Tini wichen zurück.
Durch das Tor spaziert kamen die drei Männer, die sie neulich im Café beobachtet hatten. Sie waren so sehr in ihr Gespräch vertieft, daß sie die Kinder überhaupt nicht bemerkten.
„Was heißt hilflose alte Dame“, polterte einer der drei los. „Ich sage Ihnen, Stutzke , die Frau ist eisenhart! Sie will nur den Preis hochtreiben, das ist alles! An der werden Sie sich noch die Zähne ausbeißen! Aber das sage ich Ihnen, wenn Sie die Sache nicht innerhalb der nächsten drei Wochen in Ordnung bringen, dann ist das ganze Projekt für mich geplatzt! Es hat mich schon jetzt mehr gekostet, als ich der Gesellschaft gegenüber verantworten kann!“
„Ich sage Ihnen, Herr Doktor, Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen! Ich kriege das schon hin, verlassen Sie sich drauf! Die Alte wird mich noch anflehen, daß ich ihr den Kasten abkaufe!“
„Na schön, zwei Wochen noch, Stutzke . Aber dann muß es klappen!“
„Alles klar, Herr Doktor.“
Die Männer entfernten sich, verschwanden um die nächste Ecke, und gleich darauf hörten Tina, Tini und Tobbi den schweren Wagen davonbrausen.
„Auweh“, sagte Tina leise. „Hoffentlich haben die drei unserer Frau Hofer nicht so die Laune verdorben, daß sie keine Lust mehr auf unseren Besuch verspürt!“
Tini holte tief Luft.
„Na“, sagte sie, „dann nehmt all euren Charme zusammen. Klingeln wir!“
Frau Hofer empfing sie in einem weiten weißen Gewand, das mit roter und goldener Kordel bestickt war. Sie sah aus, als stünde sie auf einer Bühne, und trotz ihres Alters wirkte sie immer noch schön, wenn man nicht allzu scharf hinsah.
Tini sah ihr an, daß sie sich gerade furchtbar aufgeregt haben mußte, aber Frau Hofer überspielte das mit theatralischer Liebenswürdigkeit.
„Meine Kinder! Herzlich willkommen!“ rief sie ihnen mit ausgebreiteten Armen entgegen, wobei sie das „R“ rollen ließ wie Gewitterdonner.
Tina befürchtete, sie würde sie nun alle an ihren gewaltigen Busen drücken und rettete sich, in dem sie einen tiefen Knicks machte und Frau Hofer zugleich den Korb mit dem Kuchen hinstreckte. Die anderen taten es ihr nach, das heißt, Tobbi ersetzte den Knicks durch einen tiefen Diener und einen Handkuß. Sie kamen sich wirklich vor, als stünden sie auf einer Bühne.
„Wie lieb von euch!“ sagte Frau Hofer überrascht. „Die zauberhaften Sommerblumen! Ich liebe solche bunten Sträuße! Und die herrlichen Kirschen!“
„Die haben wir vorgestern gerade geerntet, sie sind aus unserem Garten. Übrigens — darf ich uns vorstellen: das ist meine Schwester Tina, und ich heiße Tobbi Greiling. Tini kennen Sie ja schon.“
„Und den Kuchen hat meine Mutter gebacken. Sie läßt Sie herzlich grüßen und dankt Ihnen, daß Sie uns eingeladen haben“, fügte Tina artig hinzu.
So viel mustergültiges Benehmen verfehlte seine Wirkung nicht. Frau Hofer war gerührt und hatte den Ärger von vorhin offensichtlich schon vergessen.
„Kommt herein, ihr Lieben. Wir werden im Musikzimmer Tee miteinander trinken und ein wenig Musik hören. Später zeige ich euch dann den Garten.“
Das Haus war wirklich phantastisch, wie Tina im Stillen feststellte. Überall lagen drei, vier Teppiche übereinander, so daß kaum ein Schritt zu hören war. An den Wänden hingen kostbare Gemälde, und das ganze Haus stand voll der schönsten antiken Möbel und Kunstgegenstände. Wie in einem Museum kam man sich vor. Und überall standen oder hingen Bilder des verstorbenen Mannes der Sängerin. Fotos, Gemälde, Zeichnungen, das ganze Haus schien angefüllt damit.
Angenehme Kühle herrschte hier drinnen, Vorhänge und Fensterläden waren geschlossen, und die Räume waren spärlich von Lampen mit Schirmen aus schwerer Seide beleuchtet.
„Wie im Märchen“, sagte Tini andächtig. „Es ist wunderschön bei Ihnen, Frau Hofer!“
Wenn nur ein bißchen Sonnenlicht hereinkäme, wäre es noch viel schöner!
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