Tina und Tini und die Spuren im Schnee
ihm gegenüber. Eine Weile aßen sie schweigend. Tini beobachtete das Gesicht des Professors unauffällig und als sie den Eindruck gewann, er wäre nun so weit entspannt und gestärkt, dass man auch über unangenehme Themen mit ihm reden könne, ging sie geradewegs auf ihr Ziel los.
„Mir geht diese Diebstahlsgeschichte einfach nicht aus dem KopP , sagte sie. „Ich grübele und grübele darüber nach! Wer zum Teufel könnte denn ein so großes Interesse an den Dukaten haben, dass er deshalb einen Diebstahl begeht?“
„Ja, nicht nur du stellst dir diese Frage. Wenn ich das wüsste! Aber hinter jedem Verbrechen, das nicht gerade einem kranken Gehirn entspringt oder im Affekt begangen wird, steckt wohl die Sucht nach Geld und Macht.“
„Geld, Macht“, sagte Tini nachdenklich. „Was will er dann mit Münzen, die er nirgends verkaufen kann, ohne sofort geschnappt zu werden?“
„So einfach ist das nicht. Vielleicht hatte er einen Auftraggeber. Einen dieser superreichen Sammler, die märchenhafte Summen ausgeben um sich einen Wunsch zu erfüllen, was weiß ich.“
„Was ich dann aber nicht verstehe“, bohrte Tini weiter, „ist, dass er sich so beeilt hat. Warum gleich kurz nach der Eröffnung des Museums? Meinen Sie, da hat ein Auftraggeber gesagt, wenn du mir die Dinger nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden bringst, ist die Sache für mich gestorben?“
Der Professor lachte.
„Das ist kaum vorstellbar — bei einem solchen Objekt.“
„Vielleicht ist der Preis dieser Münzen in letzter Zeit sprunghaft in die Höhe gegangen?“
„Hab ich nicht gehört. Allerdings bin ich kein Numismatiker und kenne mich in dem Bereich nicht so aus. Mein Gebiet sind Gemälde und Porzellan, da weiß ich besser Bescheid.“
„Und Sie haben über die Alexander-Maria- Sebastianus -Dukaten nichts gelesen — ich meine, von einer Preiserhöhung oder so?“
„Nein, nichts. Ich habe allerdings auch keine Zeit gehabt, neben der vielen Arbeit in den letzten Wochen, meine Nase in Fachzeitschriften zu stecken.“
„Klar, das verstehe ich. Bis Sie das hier alles auf die Beine gestellt hatten...“
Der Professor seufzte tief und starrte ins Leere. Seine Gedanken schienen weit weg zu wandern und Tini traute sich nicht, noch weitere Fragen zu stellen.
„Was mich verrückt macht“, sagte Professor Willner nach einer Weile, „das ist die Frage, wie zum Teufel der zweite Mann unerkannt aus dem Schloss kommen konnte! Alles war abgeschlossen und verriegelt! Und die Polizei hat das Gebäude bis in den letzten Winkel durchsucht! Wenn man wenigstens diesen Komplizen gefunden hätte, dann wäre es eine Kleinigkeit, den Dieb aufzuspüren. Aber nein, da ist nichts, nicht die kleinste Spur. Alle, die sich zu der Zeit im Haus befunden haben, sind über jeden Verdacht erhaben, die reinsten Unschuldsengel! Nichts haben sie herausgefunden! Wir wissen, dass da zwei Männer hineinspaziert sind, die ordnungsgemäß ihre Eintrittskarten gelöst haben, zwei harmlose Besucher — und weg waren sie! Kein Mensch kann sich an sie erinnern!“
„Und wenn es eine Frau war?“, überlegte Tini.
„Schön — möglicherweise war einer von beiden eine Frau. Aber das ändert nichts und hilft uns nicht weiter!“
Der Professor sah so ratlos aus, dass Tini ihm am liebsten über die kurzen, grauen Haarstoppeln gestrichen hätte, aber sie traute sich nicht. Statt dessen sprang sie auf und schenkte ihm noch eine Tasse Kaffee ein.
„Haben Sie eigentlich diese Fachzeitschrift für Numismatiker?“, fragte sie nebenbei.
„Nein. Sie wird uns zugeschickt, wenn etwas über uns drinsteht, wie in der nächsten Ausgabe. Aber sonst... Ich sagte dir ja schon, mein Fachgebiet sind andere Dinge.“
„Und wenn Sie was wissen wollen, können Sie ja den Grafen fragen, der hat sie doch sicher“, bemerkte Tini leichthin.
„Der hat sie, ja, natürlich. Das ist so etwas wie die Bibel für ihn. Vermutlich liegt sie nachts unter seinem Kopfkissen.“
„Ach ja? Oh... schon so spät, jetzt muss ich aber wieder hinunter“, sagte Tini schnell und stellte Teller und Glas ins Spülbecken. „Wir sehen uns ja noch!“
Als sie in der Halle ankam, standen nur zwei Besucher am Verkaufstisch und blätterten in den Kästen mit den Postkarten.
„Könnt ihr mich noch fünf Minuten entbehren?“, flüsterte Tini Tobbi zu. „Ich habe was zu erledigen.“
„Okay, aber beeil dich. Wir haben Hunger. Und die Führung ist auch gleich zu Ende!“
Tini schlüpfte durch das
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