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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Endlich erlöste ihn Marie Carolines „Aber setzen Sie sich doch“ aus seiner Erstarrung. Er nahm neben ihr Platz und legte den Borsalino, mit dem er bisher verlegen gespielt hatte, ans Ende des Tisches.
    „Von Braunstein der Name“, ließ sich der junge Rohan vernehmen. „Da haben Sie ja Glück, dass Sie Braunstein und nicht Bronstein heißen. Da könnte man Sie ja glatt für irgend so einen Judenbengel aus dem galizischen Ghetto halten. Dann dürften Sie sich von meinem Vetter, dem Prinzen, aber nicht erwischen lassen. Der würde Sie glatt ohrfeigen und aus dem Lokal jagen“, lachte er. Na, das konnte ja heiter werden! Bronstein riss eine neue Packung „Egyptische Sorte“ auf und sich dann zusammen. „Keine Sorge, der Herr. Das Stetl, aus dem ich komme, heißt sich die Wieden.“ Dabei bemühte er sich um ein neutrales Lächeln.
    „Schöner Hut“, hörte er das Mädchen sagen, das die Tochter des Adjutanten war, „ist der echt?“ Es war ihr anzusehen, dass die Spitze ihres Freundes nicht auf ihre Zustimmung gestoßen war.
    „Ja“, nickte Bronstein, „den hat mir meine Tante aus Italien mitgebracht, als sie zur Kur in Meran weilte. Ein echter Borsalino.“ Angesichts der hier versammelten Eitelkeit, befand er, konnte ein wenig Angabe nicht schaden.
    „Na, Sie Glücklicher“, merkte Segur an, „es geht nichts über einen guten Hut. Kannst dich erinnern, Sepp, an den Panamahut, den ich mir im vorigen Sommer gekauft hab? Sauteuer und doch nichts wert.“
    „Ja, freilich. Den hast ja auch für einen absoluten Nepp erworben. Da hätt dir schon beim Preis klar sein müssen, dass d’ mit dem Tinnef über den Tisch gezogen wirst.“
    „Ich bitt dich, acht Kronen! Darum kriegst den ganzen Meyer. Illustriert und in Leder gebunden!“
    „Ein guter Panamahut, das hab ich dir damals schon gesagt, den kriegst nicht unter vierzig Kronen! Der wird unter Wasser geflochten …“
    „Unter Wasser oder ober Wasser, so ein Schmarren. Hauptsache, dass er schön ist.“
    „Na ja, lieber Freund, das war er ja auch nicht. Allein schon die Form. Furchtbar grauslich. Ich hoffe, du hast ihn irgendeinem Ackergaul aufg’setzt, damit ihm die Sonn ned das letzte bisserl Hirn rausbrennt.“
    Das Mädchen, das Bronstein als „Tussi“ vorgestellt worden war, hüstelte dezent. Die beiden Knaben sahen einander an. „Es scheint“, statuierte Segur, „wir langweilen die Damen.“
    „Und unseren verehrten Ehrengast“, ergänzte Rohan mit unverhohlener Verachtung. „Nette Garderobe, die Sie da anhaben, Herr Braunsteiner. Ein slawischer Schneider, möcht ich wetten.“
    „Äh, wieso?“ Bronstein war verwirrt.
    „Na ja, dieses Jackett. Das ist doch … Wenden, sage man nur.“ Dabei prustete er los, und auch Segur verkniff sich das Lachen nicht.
    „Aber ich muss doch sehr bitten!“, ergriff Marie Caroline für Bronstein Partei. „Ich finde, das ist ein ausgezeichneter Cut. Ich weiß gar nicht, was ihr zwei habt. Euer Gehrock ist ja auch nicht gerade der dernier cri.“
    „Aber meine Liebe. Ein Sankt-Andreas-Knoten! Wer, bitte schön, verwendet denn so etwas? Das ist doch … zutiefst provinziell. Ein Windsor, bitte, das lasse ich mir gefallen, auch wenn ein Hannover allemal angebrachter ist. Aber ein Sankt Andreas? Das ist …“ Rohan sprach nicht weiter und schüttelte nur den Kopf.
    „Also mir gefällt er“, entgegnete Bronstein leichthin und blickte dabei Marie Caroline dankbar an.
    „Sie sind Oberleutnant, Herr von Braunstein?“, fragte nun die Hardegg nach.
    Noch ehe er Zeit zu antworten fand, ließ sich erneut Rohan vernehmen. „Da können S’ uns sicher Aufklärung geben, wie das jetzt ist am Balkan. Militärisch gesprochen.“ Wieder grinste der junge Gimpel schamlos und zwinkerte Segur dabei zu.
    „Ich hab euch doch g’sagt, er ist …“
    „Lassen Sie nur, Verehrteste“, winkte Bronstein ab, der sich diebisch freute, am Abend zuvor die Zeitung so ausgiebig studiert zu haben, „die Herrschaften haben ein Recht auf Antwort.“
    Rohan riss den Kopf hoch. Damit hatte er anscheinend nicht gerechnet.
    „Also“, begann Bronstein, „ich sehe das so: Der Türke wird sich keinesfalls halten. Der Fall von Ioannina und Adrianopel ist nur eine Frage von wenigen Tagen. Der Serbe wird nachsetzen und bis Shkodra durchmarschieren. Die Türkengefahr ist Geschichte, meine Herren, es würde mich nicht wundern, wenn auch Konstantinopel selbst den Besitzer wechseln würde. Und das ist auch durchaus im Sinne einer

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