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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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neuen europäischen Ordnung. Der Osmane gehört nach Asien, nicht nach Europa. Schon allein aus religiösen und kulturellen Gründen, wenn die Herren verstehen, was ich meine.“
    Eigentlich hatte Bronstein gehofft, mit der kühnen Ansage Sympathiepunkte zu sammeln. Doch die beiden Adeligen schienen wild entschlossen, dem Eindringling in ihre Runde eine Lektion zu erteilen.
    „Sie sind also der Ansicht, der Slawe sollte das Sagen auf dem Balkan haben?“
    „Besser jedenfalls, als regierte dort immer noch der alte Mann vom Bosporus“, gab sich Bronstein überzeugt.
    „Keinesfalls, Herr Braunhuber! Der Balkan ist unser historisches Hinterland. Da darf einzig und allein das Wort unseres geliebten Kaisers gelten.“
    „Das sagt mein Herr Papa auch immer“, meldete sich die kleine Harrach nun.
    „Aber so gesehen ist es doch gut“, lenkte Segur ein, „dass sich diese Wilden gegenseitig an die Gurgel gehen. Dann wird uns die Ernte wie von selbst zufallen.“
    „Aber bis es so weit ist, ruinieren die doch alles“, ereiferte sich Rohan. „Diese Serben, die sind doch die reinsten Barbaren. Die massakrieren sich sogar gegenseitig, wenn sie gerade keinen Feind zur Hand haben.“
    „Ja, schrecklich, nicht?“ Offenbar musste die Hardegg jetzt auch etwas beisteuern. „Wie die ihren eigenen König …“
    „Und erst die Königin …“, ergänzte die Harrach.
    „Schrecklich, schrecklich!“, pflichtete Marie Caroline den beiden bei. „In tausend Stücke gehackt! Unglaublich.“
    „Genau“, riss Rohan das Gespräch wieder an sich, „und daher muss Österreich da unten endlich für Ordnung sorgen. So wie unsere deutschen Waffenbrüder dem Hottentott zeigen, wo die Kultur zu Hause ist, so müssen wir den Balkanneger Mores lehren. Oder sind Sie da anderer Ansicht, Herr Braunmeier?“
    In Bronstein stieg allmählich die Wut hoch. Der Kerl war wirklich zu impertinent. „Starke Worte, Herr von Rohan. Haben Sie schon gedient?“
    „Frechheit!“, belferte der junge Mann und schickte sich an, sich von seinem Stuhl zu erheben. „Das muss ich mir von einem Juden nicht sagen lassen. Sie haben hier gar nichts verloren, Sie Ostler. Weder an diesem Tisch noch in diesem Land.“
    „Aber ich muss doch sehr bitten“, bemühte sich die Hardegg um Deeskalation. Doch ihre Worte gingen in Rohans Tirade unter.
    Bronstein, der eben noch kurz vor der Explosion gestanden war, wurde durch die an den Kopf geworfene Beleidigung plötzlich ganz ruhig. „Die Rohans sind ja auch nicht gerade echte Österreicher, oder täusche ich mich da?“
    Rohan blieb der Mund offen.
    „Na ja“, erklärte Bronstein in Richtung der anderen am Tisch Versammelten, „die haben sich erst vor ein paar Jahrzehnten in Böhmen eingekauft. Die kommen aus der hintersten französischen Provinz, aus der Bretagne. Dort haben sie sich aber von Bauern mit Dreschflegeln und Sensen vertreiben lassen. Aber nicht während einer Revolution, wie man vielleicht glauben möchte. Nein, die waren einfach pleite. Haben alles Vermögen verprasst und mussten sich bei Nacht und Nebel aus Frankreich davonmachen. Und nachdem sie einige Zeit kreuz und quer durch Europa geirrt sind, hat sich unser lieber Kaiser ihrer erbarmt und sie bei uns aufgenommen. Ein Beispiel für österreichische Großzügigkeit Fremden gegenüber.“ Bronstein lehnte sich zurück und zeigte ein entwaffnendes Lächeln.
    „Du … du … Judensau!“, brüllte Rohan so laut, dass automatisch die anderen Gäste des Cafés in seine Richtung sahen.
    „Josef!“, rief Marie Caroline und zog ihn am Ärmel. „Was ist denn bloß in dich gefahren? Dieses Verhalten ist höchst unerfreulich! Jetzt benimm dich gefälligst!“
    „Ja, mei, eifersüchtig ist er halt“, bemerkte Segur lakonisch.
    „So ein Blödsinn“, ereiferte sich Rohan, „ich lass mich doch von einem Itzig ned beleidigen! Das habe ich, ja, das hat meine ganze Familie nicht notwendig!“
    „Ach ja“, antwortete Bronstein leise, „ist diese Ausdrucksweise die Kultur, die Sie den Balkannegern, wie Sie sich so formschön auszudrücken beliebten, beibringen wollen? Na dann mussman der Kultur wohl gute Nacht sagen.“
    „Wenn Sie satisfaktionsfähig wären, dann würde ich Sie auf der Stelle zum Duell fordern“, erklärte Rohan schneidend.
    „Und wenn du eine ganze Person wärst, dann würd ich dich ernst nehmen. So aber kann ich dir nur raten, dich zu mäßigen. Sonst sag ich deinem Papa, er soll dich übers Knie legen.“ Den letzten Satz hatte

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