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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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erklären, der Mészáros war einfach ein guter Latsch, der den täglichen Rausch finanziert hat?“
    „Meine Güte, so wie Sie das sagen, klingt das ja schon fast nach etwas Widernatürlichem. Aber ja, wenn Sie es so drastisch formulieren wollen: Wenn er gezahlt hat, dann bin ich halt mitgegangen. Besser ein Glaserl oder zwei in seiner Gesellschaft als auf dem Trockenen sitzen.“
    „Aha, und wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?“
    „Was weiß denn ich? Irgendwann vorige Woche, nehme ich einmal an.“
    „Und am Wochenende waren Sie wo?“
    „Pfuh, da müsste ich jetzt scharf nachdenken. Am Samstag hab ich Journaldienst g’habt, das heißt, ich war da in der Kaserne. Und am Sonntag war ich …“
    Baumgarten erstarrte mitten im Satz: „Sagen Sie einmal, fragen Sie mich da wirklich nach einem Alibi? Ja, was erlauben Sie sich? Sie! Ich werde mich höheren Orts über Sie beschweren. Das ist ja impertinent. Diese Unterhaltung ist beendet!“
    Ohne noch auf irgendeine Reaktion Bronsteins zu warten, machte Baumgarten auf den Stiefelabsätzen kehrt und ging in die Kaserne zurück.
    Na fein, dachte Bronstein, das passt perfekt. Das Tüpfelchen auf dem i für seine Disziplinarkommission … Er schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn, dann zog er blitzschnell seine Uhr aus der Weste hervor. Zwanzig Minuten vor zehn Uhr. Mit etwas Glück schaffte er es noch rechtzeitig bis zum Deutschmeisterplatz. Im Laufschritt hastete er die Mariahilfer Straße hinunter, um, an deren Ende angekommen, keuchend in einen Ringwagen einzusteigen. Ihm fehlte sogar die Kraft für eine Zigarette, und so saß er einfach nur da, bis der Schaffner seine Station ausrief. Bronstein überquerte den Platz hin zum Polizeigebäude und fragte den Portier, wohin er sich wenden müsse.
    „Zimmer 105 im ersten Stock. Aber tummeln S’ Ihnen, Sie sind spät dran.“
    Bronstein verkniff sich den Kommentar, das wisse er selbst, und hechtete die Stufen hinauf. Als er an die Tür zum zugewiesenen Raum klopfte, zeigte die Ganguhr Schlag zehn.
    „Ah, der Herr Oberkommissär Bronstein“, empfing ihn ein älterer Polizist, der ihm namentlich nicht bekannt war, mit einem freudigen Lächeln. „Schön, dass Sie es einrichten konnten!“
    Schön, dass Sie es einrichten konnten? Der Mann hatte einen eigenartigen Humor. Ob er Ludwig XVI. auf der Guillotine auch so willkommen geheißen hätte?
    „Nun ja, Herr Hofrat, man sagte mir, ich solle mich hier einfinden“, begann Bronstein vorsichtig.
    „Ja, das ist ganz richtig“, meldete sich ein zweiter, etwas jüngerer Mann zu Wort, der neben dem alten Herrn saß, „aber nehmen Sie doch erst einmal Platz. Bitte schön, Herr Oberkommissär.“
    Das war doch wirklich typisch für Österreich. Da achtete man selbst bei Hinrichtungen auf die Etikette. Mochte man einen Mann auch ins Verderben stürzen, so hatte dieser Vorgang doch höflich und zuvorkommend zu geschehen. Beinahe hätte Bronstein hysterisch aufgelacht. Aber bitte, wenn diese Scharade zu seiner Verdammung dazugehörte, dann sollte es halt so sein. Bronstein richtete seine Adjustierung und setzte sich auf den zugewiesenen Sessel, der sich genau gegenüber der Kommission befand, die neben den beiden Herren noch aus einer dritten Person bestand, die bislang geschwiegen hatte. Just diese öffnete nun einen Aktendeckel und blätterte scheinbar oberflächlich in den darin enthaltenen Papieren.
    „Herr Oberkommissär …, Sie tun derzeit Dienst … im Kommissariat Rudolfsheim. Ist das richtig?“
    Bronstein nickte.
    „Sind Sie zufrieden dort?“
    Wie sollte er reagieren? Er hielt es für am sichersten, erneut zu nicken. Der Mann ging darauf jedoch nicht ein. Er blätterte weiter in seinen Unterlagen.
    „Was, Herr Oberkommissär, hielten Sie von einer beruflichen Veränderung?“
    Also doch! Man versetzte ihn ins Niemandsland. Doch immer hin tat man es taktvoll. Man hätte ihn ja auch anbrüllen oder abkanzeln, sogar einschlägige Drohungen aussprechen können, doch stattdessen bemühte man sich um den Eindruck, er selbst komme um diese Versetzung ein. Das half immerhin, das Gesicht zu wahren, konstatierte Bronstein.
    „Und wie sieht sie aus?“, fragte er gottergeben.
    Nun war sein Gegenüber irritiert. „Wie sieht wer aus?“
    „Na die berufliche Veränderung, von der Sie sprechen.“
    „Ach so, ja, das wird Ihnen der Herr Hofrat mitteilen“, sagte der Mann nur und verfiel wieder in das zuvor geübte Schweigen. Bronstein richtete seinen Blick

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