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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Polizeipräsident persönlich? Wieso sollte der mich überhaupt kennen?“ Bronsteins Verwirrung steigerte sich neuerlich.
    „Na ja, der Herr, vielleicht wird Sie irgendjemand kennen, der wiederum den Präsidenten kennt. Aber des kann uns ja egal sein. Jetzt sind S’ da – und wir sind auch da. Bitte schön, nach Ihnen.“
    Sie hatten eine ehrfurchtgebietende Doppeltür erreicht, an der deutlich der Name „Joseph Maria Nechyba“ zu lesen stand. Bronstein erstarrte. Der Fehlerlose! Seit der spektakulären Aufklärung der sogenannten Naschmarktmorde vor etwa zehn Jahren war Nechyba weit über die Reihen der Polizei hinaus ein Begriff. Mehr noch, er war eine Institution und ohne Frage weit bekannter als der Polizeipräsident selbst. Fieberhaft überlegte Bronstein, wie er sich dieser Ermittlerlegende nähern sollte, doch er kam nicht dazu, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, denn schon hatte Pokorny angeklopft, und ein mächtig donnerndes „Herein!“ beschied Bronstein, sich in den Nebenraum zu begeben.
    Nechyba war nicht minder ehrfurchtgebietend als seine Flügeltür. Eine gute Zigarettenlänge größer als Bronstein, wog der Mann, der Mitte fünfzig sein mochte, sicher weit über hundert Kilo. Bronstein kam sich gegen Nechyba vor wie ein Krispindl, und so beschränkte er sich darauf, scheu die Augen zu Boden zu richten.
    „Ah“, polterte Nechyba, während er auf Bronstein zuging, „der Neue. Sie sind ja ein echtes Genie, wenn man dem Ritter glauben darf.“
    Daher wehte also der Wind! Marie Carolines Vater hatte für ihn interveniert. Er fühlte sich Bronstein wohl wegen der vermeintlichen Rettung seiner Tochter verpflichtet. „Und ich habe gehört, Sie haben da so eine Idee, ein Offizier Seiner Majestät könnte nicht schändlich in den Selbstmord geflüchtet, sondern vielmehr ums Leben gebracht worden sein.“
    Bronstein sah abrupt auf: „Woher wissen Sie …?“
    Nechyba lächelte überlegen: „Wissen, junger Freund, ist unser Kapital. Selig die, die wissen, sag ich immer. Selig weiterhin die, die wissen, was sie tun. Und selig schließlich ich selbst, wenn ich weiß, was meine Leute tun.“ Nechyba war die Zufriedenheit über seinen gelungenen Aperçu deutlich anzusehen. Doch nach einem Augenblick des stillen Triumphs wurde er wieder sachlich: „Gut, betrachten wir diese Angelegenheit als Ihr, nun, Gesellenstück. Ich geb Ihnen den Pokorny mit, der wird Sie auch gleich aufklären, wie das Geschäft hier im Agenteninstitut so läuft. Ich erwarte, dass Sie mir regelmäßig Bericht erstatten, am besten schriftlich. Wenn ich dann noch etwas Persönliches wissen will, dann lasse ich Sie holen.“
    Nechyba sah für einen Moment an Bronstein vorbei ins Leere und schien darüber nachzusinnen, ob noch etwas gesagt werden musste. Dann wandte er sich wieder an Bronstein: „Tja, das wäre so weit alles. Am Journalschalter bekommen S’ Ihre Papiere, die legen Sie heute noch dem Kommissariat in … na … Dings … Rudolfsheim vor, denn ab morgen haben S’ hier Ihr Büro. … Und falls noch etwas sein sollte, falls Sie irgendetwas brauchen, Rat und Hilfe oder so, bitte wenden Sie sich …“, an dieser Stelle hielt Nechyba grinsend inne, „sicher nicht an mich! Für so was hab ich keine Zeit.“ Immer noch gluckste Nechyba amüsiert. „Alsdern. Schön, dass Sie an Bord sind. Man sieht sich! Guten Tag noch.“
    Es war offenkundig, dass Bronstein damit entlassen war. Um ein Haar hätte ihn Pokorny an der Hand genommen, denn Bronstein, dem das alles immer noch mehr als unwirklich vorkam, blieb wie angewurzelt auf der Stelle stehen und machte keinerlei Anstalten, Nechybas Büro zu verlassen. Pokorny räusperte sich verlegen. Nechyba, der sich bereits wieder mit seinen Akten befasste, hob noch einmal den Kopf: „Ist leicht noch was?“
    „Danke, Herr Hofrat. Vielen Dank für diese Chance. Ich werde alles daransetzen, Sie nicht zu enttäuschen.“ Bronstein kam sich wie ein Pennäler vor, und er war sich sicher, sein Lächeln ließ ihn wie einen Debilen aussehen. Doch Nechyba schenkte ihm eine gütige Miene, meinte nur „Is schon recht“ und entließ ihn endgültig.
    Zwei Minuten später befand sich Bronstein wieder auf den Gängen und sah sich einem Sperrfeuer ausgesetzt. So, als steckte sein neuer Kollege Pokorny voller Worte, die nun plötzlich und unerwartet aus ihm herausplatzten, ging ein Erzählhagel auf Bronstein nieder, dem zu folgen er nicht in der Lage war. Sosehr er sich auch konzentrierte,

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