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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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er in den kurzen Moment der Stille, der entstanden war, als Pokorny in einer Pose verharrte, die baldiges Niesen signalisierte.
    „Nichts“, sagte der und richtete sich wieder auf. Um gleich danach loszubelfern, als sei er eben explodiert. Instinktiv suchte Bronstein Deckung, bis er sich sicher war, dass Pokorny tatsächlich nur geniest hatte. Der Mann kramte nach einem Sacktuch, putzte sich umständlich die Nase und meinte schließlich: „Viere ist’s. Jetzt geh’n wir heim. Schönes Wochenende zu wünschen!“
    „Schönes Wochenende?“
    „Ja, sicher. Oder wollen S’ freiwillig dasitzen? Bei uns herrscht Wochenendruhe. Also abgesehen vom Journaldienst. Zu dem werden S’ sicher auch einmal eingeteilt werden. Aber sicher noch ned morgen, weil das täten S’ dann schon wissen, gelt!“
    Bronstein war ehrlich überrascht. Aber es konnte ihm diese Entwicklung nur recht sein, denn, als hätte Pokorny mit dieser Mitteilung einen Schalter in seinem Gehirn umgelegt, erinnerte sich Bronstein daran, dass er den Abend ja mit Marie Caroline verbringen wollte. Zu diesem Zweck war es unabdingbar, sich eine bessere Garderobe zuzulegen als jene, die er am Leibe trug. Durch den erfreulich frühen Dienstschluss hatte er jedoch noch genügend Zeit, sich ansprechend auszustaffieren, ehe er wie verabredet um Punkt acht beim Edlen von Ritter anläuten würde. Was also, so fragte er sich, sollte er anziehen?
    Außerdem, und das war eine Frage, die zumindest von ebenso grundlegender Bedeutung war, wie reagierte er am klügsten auf Ritters Intervention? Dass er sich dafür hymnisch bedanken musste, das stand außer Frage, aber brachte man in einem solchen Fall auch ein Geschenk mit – und wenn ja, welche Preisklasse hatte ein solches aufzuweisen? Wo war die Grenze zwischen peinlich oder schäbig einerseits und zu servil oder zu überschwänglich andererseits? Vielleicht war es am klügsten, etwas für Marie Carolines Mutter zu besorgen, denn nicht selten waren die Mütter die alleinigen Ratgeberinnen ihrer Töchter, sodass es nicht schaden konnte, bei der alten Frau Ritter einen Stein im Brett zu haben.
    Allerdings durfte auch ein solches Präsent nicht zu protzig ausfallen, denn sonst erregte man womöglich das Missfallen des eigentlichen Gönners, der sich durch eine allzu kordiale Gabe an die Gemahlin brüskiert fühlen könnte. Vielleicht konnte er sich auf Blumen verlegen? Damit war man doch immer auf der sicheren Seite, oder? Natürlich nicht irgendwelche Schnittblumen, nein, eher schon einen etwas beeindruckenderen Blumenstock. Aber mochte Frau Ritter überhaupt Blumen?
    Bronstein seufzte. Die ganze Sache wäre viel leichter, wenn er schon ein wenig über Marie Caroline und ihre Familie wüsste.
    Eine Bonbonniere. Das war es. Erlesenes Konfekt! Das hatte ja schon bei Marie Caroline gewirkt. Vielleicht aus dem Hause Hofbauer, wobei er dann allerdings noch schnell auf den Margaretenplatz fahren müsste. Doch der war zum Glück nicht allzu weit vom Wohnhaus Marie Carolines entfernt. Ja, befand Bronstein, das mochte angehen.
    Zuvor freilich hatte er sich noch um seine Garderobe zu kümmern. Ob er bei sich zu Hause überhaupt die richtige Kleidung besaß? Er war ja schon so lange nicht mehr darauf angewiesen gewesen, sich auszustaffieren, und er konnte ja wohl kaum in demselben Ensemble antreten, das er schon im Café Ritter getragen hatte. Nun, diese Frage klärte sich jedenfalls nicht, indem man im Büro über sie grübelte. Er verließ das Bürogebäude und sah zu, dass er nach Hause kam.
    Punkt acht Uhr abends läutete Bronstein, herausgeputzt wie der sprichwörtliche Pfau, bei Familie Ritter an. Was ihm gar nicht so leicht fiel, da er in der einen Hand eine riesige Schachtel Pralinen balancierte, während er in der anderen einen Strauß Schnittblumen festhielt, die er jedoch noch von ihrer Verpackung befreien musste. Er klemmte also die Confiserie zwischen die Beine, riss das Papier von den Blumen weg und schnappte dann wieder die Bonbons, gerade rechtzeitig, ehe ihn die Zugehfrau in dieser peinlichen Pose hätte sehen können. Die Bedienstete sagte nichts, doch ihr war die Verachtung, die sie für den Gast empfand, deut lich ins Gesicht geschrieben.
    „Sie kommen wegen der jungen Frau Gnädigen“, konstatierte sie, und Bronstein meinte, die Eiszapfen an jedem einzelnen ihrer Worte förmlich sehen zu können. Beinahe verschämt nickte er.
    „Warten Sie hier, der Herr. Ich werde die Mademoiselle holen.“ Die

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