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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Hausgehilfin verzichtete darauf, einen Knicks auch nur anzudeuten, und verschwand im Inneren der Wohnung, Bronstein samt seinen Präsenten an der Tür stehen lassend. Bei solch einer Frechheit bleibt einem die Luft weg, dachte er.
    Gleich danach blieb sie ihm freilich tatsächlich weg, die Luft. Marie Caroline betrat das Vorzimmer und sah so berückend aus, dass Bronstein glatt zu atmen vergaß. Wie ein geistig zurückgebliebener Einfaltspinsel hielt er ihr Bonbonniere und Blumen hin und sah ansonsten so hilflos wie ein neugeborenes Rehkitz drein. Marie Caroline nahm die Geschenke entgegen.
    „Das ist aber lieb von dir. Ist das für mich?“
    Bronstein suchte hektisch nach seiner Fassung, fand sie wieder und entgegnete mit krächzender Stimme: „Die Blumen. Ja. Das Konfekt ist, mit Verlaub, für die Frau Mama.“
    Marie Caroline warf sich in Pose, lächelte und wiederholte ihre eben getätigte Aussage: „Wirklich nett ist das. Sehen S’, Josefine, so benimmt sich ein echter Mann von Welt.“ Es war offenkundig, dass die Zugehfrau Marie Carolines Einschätzung keinesfalls zu teilen gewillt war. Doch Marie Caroline achtete nicht weiter auf den Hausgeist, sondern wandte sich zum Gehen, wobei sie Bronstein bedeutete, ihr zu folgen.
    „Mama und Papa freuen sich sicher, dich wiederzusehen. Vor allem, wenn du so umsichtig warst, Geschenke zu bringen.“
    Jetzt freilich wurde Bronstein mulmig. Wie verhielt er sich nun wirklich gegenüber dem Herrn Papa. Ein schlichtes Dankeschön während des Händeschüttelns? Eine wortreiche Dankesrede? Was sagte man bloß in einem solchen Fall?
    Bronstein kam nicht mehr dazu, sich eine Strategie zurechtzulegen, denn schon befand er sich im Salon der Familie. Die Mutter thronte im Zentrum der Sitzlandschaft, vordergründig in eine Stickerei vertieft, während der Vater, eine Zigarre in der linken und ein Cognacglas in der rechten Hand, in einem Fauteuil saß und scheinbar gelangweilt an die Decke blickte. Bronstein näherte sich den beiden in beinahe devoter Haltung und küsste zunächst der Dame des Hauses die Hand.
    „Der David war so galant und hat dir auch etwas mitgebracht“, sagte Marie Caroline währenddessen, „da, schau, Mama.“ Die Mutter nahm die Schachtel entgegen, besah sie aufmerksam und nahm dann Bronstein in den Blick. Sie lächelte verschmitzt: „Haben S’ über mich auch Erkundigungen eingeholt, Herr Inspektor? Hofbauer-Konfekt mag ich nämlich am liebsten.“ Bronsteinbemühte sich, nicht allzu offensichtlich erleichtert aufzuatmen.
    „Es ist mir eine Freude, gnädige Frau“, stammelte er. Er ließ noch eine Ehrensekunde verstreichen, ehe er sich Herrn von Ritter zuwandte. „Ihnen, werter Herr von Ritter, bin ich ja auf ewig zu Dank verpflichtet. Ich weiß immer noch nicht, was ich sagen soll. Sie waren wirklich zu gütig.“ Artig verbeugte er sich.
    „Ist schon recht. Das war das Mindeste, was ich tun konnte. Man soll einem jungen Mann immer die Chance zur Bewährung einräumen. Entscheidend ist dann, was er selbst daraus macht.“
    Bronstein war sich nicht sicher, ob in diesem Satz ein Unterton mitschwang, doch er beschloss, diesen gegebenenfalls zu ignorieren. So beschränkte er sich darauf, Zustimmung zu signalisieren.
    „Gemma dann?“
    Es war Marie Caroline, die Bronstein selbst von ihren Eltern fortriss. Sie winkelte den Arm an und ließ sich so von Bronstein zurück in das Vorzimmer geleiten, wo sie sich die Überbekleidung anlegen ließ, um schließlich, immer noch an Bronsteins Seite, das Haus zu verlassen.
    Da Bronstein das Programm schon kannte, konnte er sich darauf konzentrieren, verstohlen Marie Caroline und ihre Reaktionen auf die einzelnen Darbietungen zu beobachten. Und mit einem gerüttelt Maß an Erleichterung stellte er fest, dass er offenbar die richtige Auswahl getroffen hatte. Sie zeigte sich von der Keller begeistert, lachte Tränen über den Conferencier, was Bronstein zwar nicht nachvollziehen konnte, aber dennoch mit Zufriedenheit quittierte, und fand sogar die artistischen Nummern sichtlich unterhaltsam. Als positiv verbuchte Bronstein, dass Marie Caroline immer wieder einmal in ein herzhaftes Lachen ausbrach, sich dabei ganz ungeniert auf die Schenkel klopfte, um, wahrscheinlich nur aus Versehen, auch einmal Bronsteins Schenkel zu erwischen. Dieses kleine Missgeschick galt es natürlich sofort wieder gutzumachen, wie Marie Caroline betonte, und so ruhte ganz plötzlich ihre Hand auf seinem Schenkel, wenn auch nur verstohlen

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