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Titan - 01

Titan - 01

Titel: Titan - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne SF
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Bibliothek«, grunzte W. J. Born und lehnte sich zurück, um mit Genuß die Post zu lesen.
    Schlagzeile: 25.000 DEMONSTRIEREN FÜR HÖHERE ARBEITSLOSENUNTERSTÜTZUNG. Natürlich, das war zu erwarten. Er schnappte nach Luft, als er sah, wer die Präsidentenwahl von 1976 gewonnen hatte. Himmel, was würde ihm das im Jahre 1975 einbringen, wenn er auf die Nominierung wettete! Schlagzeile: POLIZEIPRÄSIDENT LEUGNET VERBRECHENSWELLE. Es hatte sich inzwischen also doch nicht allzu viel geändert. BLONDES FOTOMODELL IN BADEWANNE ZERSTÜCKELT; MYSTERIÖSER FREUND WIRD GESUCHT. Diesen Artikel las er ganz durch, da ihn das Zweispaltenfoto des blonden Modells aus einer Strumpfreklame anzog. Dann merkte er plötzlich, daß das Taxi stand. Sie saßen in einer gigantischen Verkehrsstauung fest. Es war 10 Uhr 5.
    »He, Fahrer«, sagte er.
    Der Mann drehte sich um, ängstlich, entschuldigend. Der Kunde war König, insbesondere in so einer Depression. »Wird schon werden, Mister. In einer Minute sind wir hier raus. Der Verkehr aus dieser Ausfahrt staut sich hier, das ist alles. In ein paar Minuten geht’s weiter.«
    Es ging in ein paar Minuten weiter, aber nur wenige Sekunden lang. Das Taxi schob sich quälend langsam vorwärts, während W. J. Born seine Zeitung in den Händen zerknüllte. Um 10 Uhr 13 warf er dem Fahrer eine Banknote zu und sprang aus dem Wagen.
    Keuchend erreichte er die Bibliothek, als seine Uhr 10 Uhr 46 anzeigte. Nach der für alle anderen Menschen geltenden Zeit war gerade Büroschluß. Er hatte unterwegs einem Strom von Mädchen in überraschend kurzen Röcken und überraschend großen Hüten ausweichen müssen.
    Er verlor sich in dem marmornen Labyrinth der Bibliothek und in seiner eigenen Panik. Als er den Zeitungsraum fand, war es auf seiner Uhr drei Minuten nach elf. Schnaufend bat W. J. Born die Bibliothekarin: »Die Archivausgaben des Stock Exchange Journal von 1975, 1976 und 1977.«
    »Wir haben 1975 und 1976 auf Mikrofilm, Sir, und Einzelexemplare für dieses Jahr.«
    »Sagen Sie«, fragte er, »wann fand der große Börsensturz statt? Das möchte ich nachschlagen.«
    »1975, Sir. Soll ich Ihnen dieses Jahr heraussuchen?«
    »Warten Sie«, sagte er. »Erinnern Sie sich zufällig an den Monat?«
    »Ich glaube, es war März oder August oder so ähnlich, Sir.«
    »Bringen Sie mir den ganzen Jahrgang, bitte«, sagte er. Neunzehnhundertfünfundsiebzig. Sein Jahr – sein richtiges Jahr. Hatte er noch einen Monat Zeit? Eine Woche? Oder…?
    »Unterschreiben Sie diese Karte, Mister«, sagte das Mädchen eben geduldig. »Dort drüben ist eine Lesemaschine, setzen Sie sich nur schon hin, ich bring’ ihnen die Spule.«
    Er kritzelte seinen Namen auf die Karte und ging zu der Lesemaschine, der einzigen, die in der Reihe von einem Dutzend frei war. Seine Uhr zeigte fünf nach elf. Er hatte noch fünfzig Minuten.
    Das Mädchen trödelte mit den Karten auf dem Pult herum und schwatzte mit einem gutaussehenden jungen Ordner, der mit einem Stoß Bücher im Arm bei ihr stehengeblieben war. Auf Borns Stirn begannen sich Schweißtropfen zu bilden. Endlich verschwand die Bibliothekarin zwischen den Regalen hinter ihrem Pult.
    Born wartete. Und wartete. Und wartete. Elf Uhr zehn. Elf Uhr fünfzehn. Elf Uhr zwanzig.
    Eine Wasserstoffbombe würde nichts gegen ihn sein.
    Sein Magengeschwür sandte stechenden Schmerz aus, als das Mädchen wieder auftauchte, eine 35-Millimeter-Filmrolle elegant zwischen Daumen und Zeigefinger haltend. Sie lächelte Born strahlend an. »Das hätten wir«, sagte sie, schob die Spule in das Gerät und drückte auf einen Schalter. Nichts geschah.
    »Oh, verdammt«, sagte sie. »Die Lampe ist kaputt. Dabei hab’ ich’s dem Elektriker schon gestern gesagt.«
    Born wollte kreischen und mit den Füßen stampfen und dann alles erklären, aber das wäre genauso sinnlos und verrückt gewesen.
    »Dort ist ein freies Lesegerät«, sie wies die Reihe von Maschinen entlang. W. J. Borns Knie gaben nach, als er hinwankte. Er schaute auf seine Uhr – 11 Uhr 27. Noch achtundzwanzig Minuten. Der Milchglasschirm leuchtete auf, zeigte die vertraute Titelseite – 1. Januar 1975. »Sie brauchen nur an dieser Kurbel weiterzudrehen«, sagte sie und zeigte es ihm. Die schattenhaften Seiten huschten verwirrend schnell über den Schirm. Das Mädchen kehrte an sein Pult zurück.
    Born drehte den Film bis zum April 1975 weiter, dem Monat, den er vor 91 Minuten verlassen hatte, und dann zum sechzehnten April, dem Tag,

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