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Titan 01

Titan 01

Titel: Titan 01
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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nicht verstand. Die Menschen, dachte er zum tausendstenmal, sollten eine gemeinsame Sprache haben, als Ausdruck ihrer gemeinsamen Herkunft. Aber das war jetzt nicht mehr wichtig. Er riß das Gehäuse des Senders auf und stocherte zwischen den Röhren und Drähten herum. Er wußte, daß es vermutlich zwecklos war, aber er konnte irgendwie die Hoffnung nicht aufgeben.
    Eine der Röhren war dunkel. Er zog die Lade unter dem Funktisch auf und wühlte in den Ersatzteilen. Vielleicht hatte eine Röhre dieses Typs die Explosion der Wasserstoffbombe heil überstanden, die in der Nähe der Station gezündet hatte. Er hatte Glück. Die Funktionsanzeige auf dem Sender leuchtete sofort auf, als er die Röhre ausgewechselt hatte.
    Inzwischen war das Morsesignal verstummt, vermutlich weil die Station für den Sender ›untergegangen‹ war. Aber das machte nichts aus. Wenn ein paar überlebt hatten, würde es noch mehr geben. Städte, Wissenschaft und Technik waren vernichtet, aber die Menschheit lebte weiter. Und sie würden ihn brauchen, dort unten, wie sie jeden brauchen würden, der verlorengegangene Kenntnisse besaß.
    Vermutlich reichten ein paar technische Kenntnisse nicht aus, um noch in dieser Generation wieder Raumschiffe zu bauen. Aber dieses Wissen würde helfen, eine Welt wieder aufzubauen, die sich von neuem ihr Ziel in den Sternen suchen konnte. Und nach der bitteren Lehre dieser nahezu totalen Vernichtungsschlacht würde es gewiß keine Kriege mehr geben, die die Menschheit aufhalten konnten.
    Es war nur eine Reaktion auf seine vorherige Verzweiflung, das wußte Fenton. Und doch – der Gedanke lag nahe, er durfte wieder Hoffnung schöpfen.
    Und er konnte heimkehren. Die Station besaß ein kleines Raumboot für Notfälle, und es war mehr als genug Treibstoff vorhanden, um zur Erde zu fliegen. Er würde alle noch brauchbaren Vorräte darin verstauen – man konnte nicht wissen, was jetzt auf der Erde knapp sein würde. Die Sauerstofftanks waren zerstört worden, als die Explosion die Außenhälfte der Station zerriß. Er konnte jedoch Pflanzen aus der Hydroponikabteilung an Bord nehmen; in gewisser Hinsicht war das sogar eine bessere Lösung. Wenn die Pflanzen den Sauerstoff in der Luft erneuerten, konnte ein Mensch in der abgeschlossenen Welt eines Raumschiffs nahezu unbegrenzt überleben.
    Er stand vom Funktisch auf, verließ den Kontrollraum und begab sich zur Startschleuse, in der das kleine Schiff lag.
    Während er das Raumboot bis an die Grenze seines Fassungsvermögens belud, begann er die Lage realistischer zu sehen, und seine falschen Hoffnungen schwanden. Die Tatsache, daß Menschen überlebt hatten, machte ihre Handlungsweise in diesem letzten aller Kriege um nichts weniger entsetzlich und die Eroberung des Weltraums um nichts wahrscheinlicher. Nach und nach kehrten Entsetzen und Abscheu der ersten Augenblicke zurück. Aber ein wenig Hoffnung gab es dennoch, denn es gab noch Leben. Mit der Zeit lernten selbst die dümmsten Tiere – und diesmal hatte der Mensch eine Lehre erhalten, die er niemals vergessen würde, solange die verbrannten Ruinen seiner Städte existierten.
    Das Leben in einer solchen Welt würde bitter und schwer sein. Aber irgendwann in der fernen Zukunft würden Fentons Nachkommen auf dem Mond‐Apennin stehen und mit stolzen Augen zur Erde blicken.
    Fenton beendete seine Arbeit und machte sich auf den Rückweg durch die zerstörte Station.
    Der Geruch des Todes verpestete die Luft von Minute zu Minute mehr. Er kam zu der Leiche des Verräters, Peter Olin, und wendete den Blick ab. Irgendwann würde er sich mit der Tatsache abfinden müssen, daß seine Rasse solche Menschen hervorbrachte; aber nicht jetzt – nicht jetzt…
    Ein letztes Mal versuchte sein Geist auszubrechen und sich in Kindheitserinnerungen zu verlieren. Er kämpfte jedoch dagegen an und ging an dem Leichnam vorüber. Das war alles Vergangenheit. Von nun an würden die Menschen für die Zukunft leben müssen.
    Er erreichte den Kontrollraum, am ganzen Leib zitternd, so heftig war das plötzliche Bedürfnis, menschliche Stimmen zu hören… Die Station hatte die Erde einmal umrundet und überflog nun wieder Amerika. Keine fremden Sprachen mehr dort unten – er wischte sich den Schweiß von den Handflächen und ergriff das Mikrofon.
    »Ich rufe die Erde. Ich rufe die Erde. Hier ist die Raumstation, Erde bitte melden. Ich hab’ keine Erfahrung im Funk, also senden Sie bitte, bis ich Sie gefunden habe. Raumstation ruft
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