Titan 01
erwartete ihn, als er heimkam, und er wußte sofort, daß irgend etwas schiefgelaufen war. Ihre Heiterkeit war wie fortgewischt, und ihre Begrüßung war zu freundlich. Außerdem war im Eßzimmer für ein Abendessen zu zweit gedeckt. Sie setzte sich an den Tisch, rührte das Essen jedoch nicht an.
»Wo ist Jimmy?« fragte sie. »Und was ist mit unserem Pagen geschehen?«
Er war auf allerlei wirre Vorwürfe vorbereitet gewesen, aber diese direkte Frage brachte ihn aus der Fassung. Eine Sekunde lang zermarterte er sein Hirn nach einer Antwort und versuchte verzweifelt, seiner Miene nichts anmerken zu lassen.
»Belüg mich nicht!« zischte sie. »Du hast mich einmal angelogen, als ich im Spital lag. Das habe ich nicht vergessen. Ich hätte nicht geglaubt, daß du das noch einmal wagen würdest. Henry Needham, was hast du mit meinem Kind gemacht?«
Er holte tief Luft. »Du meinst… du meinst, Jimmy ist weggelaufen? Maryl, das ist doch Unsinn. Ich hab’ den Pagen vor zwei Wochen verkauft, als er begann, Befehle falsch zu verstehen, das weißt du doch. Jimmy kann nicht mit ihm durchgebrannt sein.«
»Jimmy ist oben«, sagte sie langsam. Sie runzelte die Stirn, dann schüttelte sie verwirrt den Kopf. »Ich dachte… Vielleicht mache ich mir nur Sorgen wegen der Schule und all dem…«
»Wir könnten mit der Schule noch ein Jahr warten«, schlug er rasch vor. Sie nickte und wandte sich hastig zu den Stiegen. Sie lächelte wieder, aber in ihrem Gesicht lag noch immer ein seltsamer Ausdruck.
Diese mißtrauischen Phasen wiederholten sich an den nächsten beiden Tagen; am dritten Tag war sie jedoch wieder so heiter wie eh und je. Henry konnte aus Zenia nichts herausbringen. Er vermutete, daß das Dienstmädchen irgendeine unbedachte Bemerkung gemacht hatte – doch wenn Maryl wirklich Verdacht geschöpft hatte, dann war sie jetzt wieder darüber hinweggekommen.
Jedenfalls schien die Krise vorüber zu sein, ohne daß er Broderick hatte zu Rate ziehen müssen. Noch eine Woche verging, und Maryl aß zweimal mit ihm zu Abend. Der Haushalt kam nach und nach wieder in Ordnung. Sie schlief immer noch manchmal bei Jimmy, aber mitunter lag sie im Bett gegenüber, wenn Henry aufwachte. Mit der Zeit, dachte er, wird alles wieder gut werden. Trotz Brodericks weisen Theorien steckte ein gesunder Kern in Maryl. Sie würde mit der Zeit wieder ganz in Ordnung kommen.
Gerade eine Woche, bevor der richtige Jimmy heimkommen sollte, wachte er zur üblichen Zeit auf und merkte, daß sie sich im Bett aufgesetzt hatte und ihn musterte. Er rappelte sich auf und versuchte, ein bißchen munterer zu werden, aber sie lächelte und drückte ihn sanft zurück.
»Mir ist nur eben klargeworden, wie sehr ich dich mag, Henry«, sagte sie, und in ihrem Lächeln lag eine neue Wärme. »Ich wußte ja schon immer, wie klug du bist – mein gescheiter Henry. Wer sonst wäre auf die Idee gekommen, mir einen Roboter‐Jimmy als Ersatz für die Zeit zu besorgen, wo mein Junge nicht bei mir sein kann? Ach, du brauchst es nicht abzuleugnen – ich hab’ eine Freundin deiner Mutter angerufen, die ich vor zwei Jahren kennengelernt habe. Und ich bin gar nicht böse, überhaupt nicht. Ich finde, es war sehr nett von dir, mir den neuen Jimmy zu bringen. Ohne ihn hätte ich es nicht ausgehalten.«
»Maryl!« Er zog sie abrupt in seine Arme und studierte ihr Gesicht. Ihre Miene verbarg nichts. Sie hatte es also irgendwie herausgefunden – aber sie war damit fertiggeworden! Zum Teufel mit Broderick! Maryl war wieder gesund. Sie war zu gescheit, um sich täuschen zu lassen, aber das machte jetzt nichts mehr aus. »Maryl, ich laß heute die Arbeit sausen. Packen wir unsere Sachen und fahren wir zu Mutter, bis wir den Jungen wieder mit heimnehmen können. Wir wollen richtig feiern. Wir…«
Sie lächelte, schüttelte jedoch den Kopf. »Jetzt, wo die neue Fusionsdüse getestet werden soll? Sei nicht albern, Henry. Ich kann warten, jetzt schon!«
Und sie bewies es. Henry beobachtete sie, während die Woche langsam verstrich. Der Erfolg des neuen Düsenmotors bedeutete ihm wenig angesichts der neuen – oder eher der alten Maryl. Als die letzten Testdaten hereinkamen, machte er Feierabend. Er erledigte einige Anrufe und schmunzelte in sich hinein. Psychotherapeuten! Ein guter Ehemann war ein Dutzend von ihnen wert. Wenn ein Mann nicht erkannte, was für seine eigene Frau gut war, wie sollte das ein Fremder wissen? Und er hatte etwas noch Besseres vor. Eine
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