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Titan 05

Titan 05

Titel: Titan 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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spürte, wie er jenes seltsame, ungreifbare Etwas verströmte, das größer war als Predigtworte, und daß er es in seinen sehnsuchtsvoll erinnerten jüngeren Jahren niemals so intensiv verströmt hatte. Er sah Bestürzung und Zweifel in den Gesichtern der Gemeinde erscheinen und allmählich weichen, als er fortfuhr, von seinen Erfahrungen und den aufrichtigen Zweifeln zu berichten, die er noch hatte. Er wußte nicht sehr viel, nicht einmal, ob der in Clyde auf dem Altar verehrte Gott ganz und gar derselbe Gott war, der seit hundert Generationen in den Herzen der Menschen lebte. Niemand konnte genug wissen. Die Menschen hatten ein Anrecht auf seine Zweifel, wie sie ein Anrecht auf sein ganzes Wissen hatten.
    Ehe er zu den abschließenden Worten kam, machte er eine Pause und lauschte in die atemlose Stille; dann straffte sich seine Haltung, und er lächelte zu ihnen hinab. Da und dort antwortete ihm ein Lächeln, es wurden langsam mehr – Ungewisse, zweifelnde Reaktionen, die mit der Ausbreitung Sicherheit gewannen.
    »Gott hat die alten Verträge ungültig gemacht und sich zum Feind der Menschheit erklärt«, sagte Amos, und seine Stimme schien überlaut von den Wänden widerzuhallen. »Ich sage euch dies: Er hat in uns einen würdigen Gegner gefunden.«
     
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Walter Brumm

Der Schutzengel
    (DREAMSMAN)
     
     
GORDON R. DICKSON
     
     
    Mr. Willer rasiert sich. Er bedient sich dazu eines altmodischen Naßrasierers. Aus dem Spiegel, der über dem Waschbecken in seinem Badezimmer hängt, schaut ein morgendliches Gesicht, dem nicht einmal der Zuckerguß aus weichem, flaumigem Rasierschaum besondere Appetitlichkeit zu verleihen vermag. Die Haut oberhalb des Schaums ist dunkel und runzlig. Das Weiße in seinen Augen ist eher als gelb zu bezeichnen, und seine fliehende Stirn muß schon ein ordentliches Stück fliehen, bis sie den spärlichen Haaransatz erreicht hat. Nun, das ist nicht so wichtig. Mr. Willer schwingt die Klinge, um zum ersten Streich anzusetzen – und verharrt plötzlich starr in dieser Stellung. Eine Sekunde lang bleibt er bewegungslos stehen. Dann klappern seine falschen Zähne kurz, und er beginnt – den Rasierer noch immer in der erhobenen Hand – sich langsam Richtung Nordwest zu drehen, wobei er zittert wie eine Richtantenne, die ihr genaues Ziel anpeilt. Dies hat eine besondere Bewandtnis:
    Mr. Willer, mit seinen Runzeln, seinen falschen Zähnen usw. ist in der Tat eine Richtantenne.
    Mr. Willer dreht sich wieder zum Spiegel und setzt seine Rasur fort. Er rasiert sich geschickt und zügig, wobei er mit einem Auge ein Schild über dem Spiegel anlächelt, welches besagt, daß man nicht auf morgen verschieben soll, was man heute besorgen kann. Vier Minuten später begibt er sich in sein Schlafzimmer, wo er sich gekonnt und wirkungsvoll ankleidet.
    Schließlich justiert er seinen Vierspänner vor dem Garderobenspiegel, in dessen hölzernen Rahmen ein Sprichwort eingeschnitzt ist, dessen Zweck es ist, zu verkünden, daß, wer sich schön mache, auch schön sei. Endlich voll angekleidet, wählt er einen glänzenden, aus dem Holz der Malaccapalme gearbeiteten Spazierstock aus seiner Sammlung im Wandschrank seines Hausflurs und verläßt sein kleines Haus in Richtung Garage.
    Dort erwartet ihn sein Wagen, ein in einem empfindlichen Blau lackierter Sedan, Modell 1937. Mr. Willer steigt ein, startet den Motor und läßt ihn mit großer Sorgfalt zwei Minuten warmlaufen. Dann setzt er den Wagen rückwärts aus der Garage und in die Maiensonne. Er wendet den Wagen so, daß die Figur auf der Kühlerhaube auf Buena Vista zeigt und fährt davon.
    Zwei Stunden später kann man sehen, wie Mr. Willer sich mit gemäßigter, exakt 2 km/h unter der erlaubten Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften liegender Geschwindigkeit einem kleinen, verbauten Haus in Buena Vistas Wohnviertel nähert. Es ist 10.50 Uhr. Er hält vor dem Haus an, zieht die Handbremse fest, schließt seinen Wagen ab, geht zu der gelbgestrichenen Haustür und betätigt die Klingel.
    Die Tür öffnet sich, und ein Gesicht schaut heraus. Es ist ein sehr hübsches Gesicht mit blauen Augen und dotterblumengoldenem Haar über einer Schürze, deren Blau fast denselben Farbton aufweist wie die Augen. Die junge Dame, zu der dieses Gesicht gehört, kann nicht viel älter als knapp über zwanzig sein.
    »Ja bitte?« sagt die junge Dame.
    »Ich bin Mr. Willer, Mrs. Conalt«, sagt Mr. Willer, wobei er seinen

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