Titan 10
Onkel kicherte. »Bei diesen Streifzügen wirst du noch einmal den Tod finden, mein Junge. Du solltest besser meinem Geschäft ein wenig mehr Aufmerksamkeit zollen, denn der Tag, an dem ich sterben werde und du meine Aufgaben übernehmen mußt, ist nicht mehr fern.«
Hugh lachte unbehaglich. »Bist du gar nicht neugierig, Onkel?«
»Ich? Oh, ich stöberte genug umher, als ich noch jung war. Ich folgte dem Hauptgang durch das gesamte Schiff, bis ich wieder zum Dorf zurückkam. Ich ging schnurstracks durch den Dunklen Sektor, mit Muties auf den Fersen. Siehst du diese Narbe?«
Mechanisch schaute Hugh auf. Er hatte sie schon oft gesehen und auch die dazugehörige Geschichte bis zum Überdruß vernommen. Einmal um das Schiff, hah! Er wollte überall hingehen, alles sehen, den Lauf der Dinge enträtseln. Diese oberen Ebenen – warum hatte Jordan sie erschaffen, wenn die Menschen sie nicht erklimmen sollten?
Aber er behielt seine Meinung für sich und fuhr mit dem Mahl fort. Sein Onkel wechselte das Thema. »Ich habe Gelegenheit, Den Zeugen zu besuchen. John Black behauptet, ich schulde ihm drei Schweine.
Willst du nicht mitkommen?«
»Hm, ich glaube nicht. Warte, doch, ich komme mit.«
»Dann beeil dich.«
Sie hielten kurz bei den Hütten der Kadetten, da Hugh dort noch etwas zu erledigen hatte. Der Zeuge wohnte in einem kleinen muffigen Abteil direkt jenseits des Platzes vor den Hütten, wo ihn jeder, der seine Dienste in Anspruch nehmen wollte, schnell erreichen konnte. Als sie kamen, saß er am Eingang und puhlte mit den Fingern im Mund herum. Sein Lehrling, ein pickliger Halbwüchsiger mit einem sehr unintelligenten Gesichtsausdruck, kauerte hinter ihm.
»Guten Hunger«, sagte Hughs Onkel.
»Guten Hunger auch für dich, Edard Hoyland. Kommst du der Geschäfte willen, oder willst du einem alten Mann Gesellschaft leisten?«
»Beides«, gab Hughs Onkel diplomatisch zurück und erklärte sein Anliegen.
»So?« sagte Der Zeuge. »Nun, der Vertrag ist recht eindeutig:
Zehn Scheffel Hafer sind hier, sagt Black John,
Dafür gibt’s zwei Schweine, was hältst du davon?
Eds Sau wird erst werfen, doch der Handel gilt,
Die Schweine bekommst du, wenn du gewillt!
Wie groß sind die Schweine nun, Edard Hoyland?« »Groß genug«, gestand Hughs Onkel ein, »aber Black verlangt drei anstatt zwei.«
»Sag ihm, sein Kopf sei matschig. Der Zeuge hat gesprochen!«
Er lachte dünn und hoch. Sein übliches Gegacker.
Die zwei unterhielten sich ein paar Minuten. Edard Hoyland berichtete einige Neuigkeiten, um dem unstillbaren Wissensdurst des Alten Genüge zu tun. Hugh schwieg bescheiden, während die beiden Klatsch austauschten. Aber als sein Onkel aufbrechen wollte, sagte er: »Ich bleibe noch etwas, Onkel.«
»He? Wie du willst. Guten Hunger, Zeuge.«
»Guten Hunger, Edard Hoyland.«
»Ich habe Euch ein Geschenk mitgebracht, Zeuge«, sagte Hugh, als sein Onkel außer Hörweite war.
»Laß es mich sehen.«
Hugh zog einen Tabaksbeutel hervor, den er aus seiner Kammer in den Baracken geholt hatte. Ohne ein Zeichen der Anerkennung nahm Der Zeuge das Präsent entgegen und warf es seinem Lehrling zu, der es irgendwo verstaute.
»Komm herein«, lud Der Zeuge Hugh ein und wandte sich dann an seinen Gehilfen. »Du – hole dem Kadetten einen Stuhl!« Als sie Platz genommen hatten, fügte er hinzu: »Nun, mein Junge, berichte mir, was du in letzter Zeit alles unternommen hast.«
Hugh berichtete und wurde des öfteren aufgefordert, Einzelheiten zu wiederholen, da Der Zeuge sich immer wieder beklagte, er, Hugh, könne sich nicht mehr genau genug an alle Einzelheiten erinnern, die er gesehen hatte.
»Ihr jungen Leute habt keine Aufnahmefähigkeit mehr«, betonte er. »Keine Aufnahmefähigkeit. Noch nicht einmal dieser Tölpel« – er deutete mit dem Kopf auf den Gehilfen – »obwohl er noch dutzendmal besser darin ist als du. Stell dir vor, er kann noch nicht einmal tausend Zeilen pro Tag auswendig lernen und maßt sich dennoch an, in meinem Sessel zu sitzen, während ich unterwegs bin. Ja, als ich noch ein Lehrling war, pflegte ich mich mit tausend Zeilen in den Schlaf zu singen. Lecke Kessel, das seid ihr!«
Hugh ließ sich auf keinen Streit mit dem Alten ein, sondern wartete darauf, daß dieser fortfuhr, was er schließlich auch tat.
»Du willst mir eine Frage stellen, mein Sohn?«
»Gewissermaßen ja, Zeuge.«
»Nun – heraus damit. Beiß dir nicht auf die Zunge!«
»Seid Ihr jemals bis zur
Weitere Kostenlose Bücher