Titan 11
gar nicht mehr so abweisend, und sie hielt uns die Hände hin. ›Kinder‹, sagte sie, ›es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid, aber es ist nur sein Bestes. Ich habe Baby fortgeschickt. Es wird mit anderen Kindern beisammenleben, die auch so sind. Hier wäre es niemals wirklich glücklich geworden, und das wißt ihr auch.‹
›Baby hat uns nie gesagt, daß es nicht glücklich war‹, meinte Jane.
Miß Kew lachte. ›Als ob dieses arme kleine Würmchen sprechen könnte!‹
›Sie bringen ihn besser wieder zurück‹, sagte ich. ›Sie wissen überhaupt nicht, womit Sie da herumspielen. Ich habe Ihnen gesagt, daß wir uns niemals auseinanderreißen lassen werden.‹
Sie wurde wütend, beherrschte sich aber noch. ›Ich habe versucht, dir das zu erklären, mein Lieber‹, sagte sie. ›Du und Jane und auch die Zwillinge, ihr seid normale Kinder, seid gesund und werdet zu anständigen Menschen heranwachsen. Aber das arme Baby ist… anders. Es wird nicht mehr wachsen und nie gehen und mit anderen Kindern spielen können.‹
›Das macht nichts‹, sagte Jane. ›Wir haben Ihnen nicht erlaubt, ihn fortzuschicken.‹
›Ja‹, fügte ich hinzu. ›Sie bringen es besser wieder zurück – und zwar schnell.‹
Da wurde sie gemein. ›Zu den vielen Dingen, die ich euch beigebracht habe, gehört auch, älteren Menschen nicht zu widersprechen. Jetzt geht und zieht euch an, es gibt bald Frühstück. Wir reden nicht mehr darüber.‹
So nett wie ich konnte sagte ich zu ihr: ›Miß Kew, Sie werden wünschen, es sofort zurückgeholt zu haben. Aber Sie werden es sowieso zurückbringen. Sonst passiert etwas.‹
Da stand sie auf und jagte uns aus dem Zimmer.«
Ich war eine Weile still, und Stern fragte: »Was passierte dann?«
»Oh«, sagte ich, »sie brachte Baby zurück.« Plötzlich mußte ich lachen. »Wenn man darüber nachdenkt, ist es eigentlich ziemlich lustig. Fast drei Monate lang hat sie uns herumkommandiert und versucht, uns Benehmen beizubringen, und dann verweigerten wir ihr plötzlich den Gehorsam. Wir haben unser Bestes gegeben, ihren Wünschen nachzukommen, aber, bei Gott, diesmal war sie zu weit gegangen. In der Sekunde, da sie die Tür hinter uns zuschlug, bekam sie ihre Abreibung. Sie hatte einen großen Nachttopf unter ihrem Bett stehen, der plötzlich durch die Luft flog und den Spiegel ihrer Kommode in Scherben schlug. Dann öffnete sich eine Schublade ihres Kleiderschrankes, ein Paar Handschuhe kam herausgesegelt und verabreichte ihr ein paar klatschende Ohrfeigen.
Sie sprang auf das Bett zurück, und eine ganze Menge Putz kam von der Decke herunter. In ihrem kleinen Badezimmer öffnete sich der Wasserhahn, und der Stöpsel sprang auf den Abfluß, und als das Wasser überlief, fielen alle ihre Kleider von den Haken. Sie wollte aus dem Zimmer laufen, bekam aber die Tür nicht auf, und als sie an dem Griff riß, gab die Tür nach, und sie stürzte zu Boden. Dann schlug die Tür wieder zu, und noch mehr Putz rieselte von den Wänden herab.
Wir gingen wieder in das Schlafzimmer und sahen zu. Sie weinte. Bis dahin hatte ich nicht gewußt, daß sie überhaupt weinen konnte.
›Schaffen Sie Baby wieder her?‹ fragte ich sie. Sie lag nur da und weinte. Nach einer Weile sah sie uns an. Ihr Blick war richtig pathetisch. Wir halfen ihr auf und setzten sie auf einen Stuhl. Sie schaute uns lange an, blickte dann zum Spiegel, dann an die ruinierte Decke, und flüsterte schließlich: ›Was ist geschehen? Was ist geschehen?‹
›Sie haben Baby fortgeschickt‹, sagte ich. ›Das ist geschehen.‹
Sie sprang auf und sagte mit leiser, erschreckter, aber dennoch fester Stimme: ›Irgend etwas hat das Haus getroffen. Ein Flugzeug oder ein Erdbeben. Nach dem Frühstück reden wir: über Baby weiter.‹
›Janie, gib ihr mehr‹, sagte ich.
Ein dicker Wasserstrahl schoß ihr auf Gesicht und Brust. Das Nachthemd klebte ihr im Nu am Körper, und darüber regte sie sich am meisten auf. Ihre Zöpfe erhoben sich in die Luft, stiegen höher und höher, zogen sie hoch, bis sie auf den Zehenspitzen stand. Sie öffnete den Mund und wollte schreien, aber aus dem Kleiderschrank kam eine Puderdose und stopfte ihn ihr zu. Sie spuckte sie aus.
›Was tut ihr? Was macht ihr?‹ fragte sie und begann wieder zu weinen. Janie sah sie nur an und rieb sich hinter dem Rücken vergnügt die Hände. ›Wir machen gar nichts‹, sagte sie. ›Nein, noch nicht‹, fügte ich hinzu. ›Holen Sie Baby zurück?‹
›Hört
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