Titan 11
hinaus.
Miß Kew kehrte zu Baby zurück und beugte sich über es, kniff ihre Lippen mit aller Kraft zusammen.
»Spielen Sie nicht mit ihm herum«, sagte ich. »Ihm fehlt nichts. Wir haben nur Hunger.«
Sie blickte mich an, als ob ich sie geschlagen hätte. »Sprich nicht so mit mir!«
»Sehen Sie mal«, sagte ich, »wir mögen das genausowenig wie Sie. Wenn Lone es uns nicht gesagt hätte, wären wir nie nicht hierher gekommen, das können Sie mir glauben. Wir kommen dort ganz gut zurecht, wo wir bis jetzt waren.«
»Du sollst nicht ›nie nicht‹ sagen«, meinte Miß Kew. Einen nach dem anderen sah sie uns an. Dann zog sie wieder den albernen kleinen Fetzen von Taschentuch hervor und drückte es gegen den Mund.
»Siehst du?« sagte ich zu Janie. »Ihr wird immer wieder schlecht.«
»Ho ho«, sagte Bonnie.
Miß Kew sah sie lange an. »Gerard«, sagte sie mit erstickter Stimme, »habe ich dich richtig verstanden, als du sagtest, diese Kinder seien deine Schwestern?«
»Ja und?«
Sie starrte mich an, als ob ich total bescheuert wäre. »Wir haben keine kleinen Negermädchen als Schwestern, Gerard.«
» Wir doch«, sagte Janie.
Miß Kew ging schnell auf und ab. »Wir haben eine Menge zu tun«, sagte sie zu sich selbst.
Miriam kam mit einer großen ovalen Schüssel und Handtüchern und Waschlappen in den Händen. Sie stellte die Schüssel auf die Bank, und Miß Kew hielt ihre Hand ins Wasser, nahm Baby und tauchte es einfach hinein. Baby begann zu strampeln.
Ich ging hin und sagte: »Warten Sie mal. Hören Sie auf! Was tun Sie da eigentlich?«
»Sei ruhig, Gerry«, sagte Janie. »Baby sagt, daß es in Ordnung geht.«
»In Ordnung? Sie wird es ertränken.«
»Nein, das wird sie nicht. Sei jetzt still.«
Miß Kew rieb Baby von Kopf bis Fuß mit Seife ein, drehte es ein paarmal um, schrubbte seinen Kopf und erstickte es schließlich fast in einem großen weißen Handtuch. Miriam stand da und gaffte, während Miß Kew ihm eine Art Spültuch umwickelte, so daß es wie eine Hose aussah. Als Miß Kew damit fertig war, schien sie sich ein wenig beruhigt zu haben. Sie atmete schwer, und ihr Mund war immer noch zusammengekniffen. Sie hielt Miriam das Baby hin.
»Nimm das arme Ding«, sagte sie, »und bringe es…«
Aber Miriam fuhr zurück. »Es tut mir leid, Miß Kew, aber ich habe gekündigt und kümmere mich nicht mehr darum.«
Miß Kew trompetete los. »In solch einer schwierigen Lage kannst du mich doch nicht verlassen! Diese Kinder brauchen Hilfe. Siehst du das nicht selbst?«
Miriam schaute zuerst mich und dann Janie an. Sie zitterte. »Hier sind Sie nicht mehr sicher, Miß Kew. Diese Kinder sind nicht nur schmutzig, sie sind meschugge.«
»Sie sind Opfer von Vernachlässigungen und wahrscheinlich nicht schlimmer als du oder ich, wenn wir vernachlässigt worden wären. Und sage nicht ›meschugge‹. – Gerard!«
»Was?«
»Sage nicht… oh, mein Lieber, wir werden noch viel Arbeit mit dir haben. Gerard, wenn du und deine… und die anderen Kinder hier wohnen sollen, müßt ihr euch sehr ändern. Ihr könnt nicht unter diesem Dach leben und euch weiter so benehmen wie bisher. Verstehst du das?«
»Ja sicher. Lone sagte, wir sollen alles tun, was Sie verlangen, und Sie bei Laune halten.« »Werdet ihr alles tun, was ich verlange?« »Das habe ich doch gerade gesagt, nicht wahr?« »Gerard, du wirst lernen müssen, nicht in solch einem Ton mit mir zu reden. Also, junger Mann, wenn ich sage, daß ihr auch all das tut, was Miriam von euch verlangt, würdet ihr gehorchen?« »Wie steht’s damit?« fragte ich Janie.
»Mal hören, was Baby meint.« Janie schaute Baby an, und es wedelte mit den Händchen und sabberte ein wenig. »Das geht in Ordnung.«
»Ich habe dich etwas gefragt, Gerard«, sagte Miß Kew.
»Jetzt kippen Sie nicht gleich aus den Latschen«, sagte ich. »Das muß ich doch erst mal klären, oder? – Ja, wenn Sie das unbedingt wollen, gehorchen wir auch Miriam.«
Miß Kew drehte sich zu der Negerin um. »Hast du das gehört, Miriam?«
Miriam sah Miß Kew an, und dann uns, und schüttelte den Kopf. Dann streckte sie ein klein wenig die Hände nach Bonnie und Beanie aus.
Sie gingen sofort zu ihr. Jede nahm eine Hand. Sie sahen hoch zu ihr und grinsten. Vermutlich planten sie irgendeine Teufelei, aber ich glaube, sie sahen wirklich süß dabei aus. Miriams Mund zuckte, und eine Sekunde lang glaubte ich wirklich, sie würde jetzt wie ein echter Mensch aussehen. »In Ordnung, Miß
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