Titan 14
zu lassen, gab Cherrys Vater Morey die Hand, und Cherrys Mutter küßte ihn. Aber als sie dann in ihrem kleinen Wägelchen davonfuhren, stand die Sorge in ihren Gesichtern.
Nicht, daß sie etwas gegen Morey als Mensch gehabt hätten. Aber arme Leute sollten unter sich bleiben und nicht Reichtum heiraten.
Natürlich liebten Morey und Cherry einander. Das half. Sie sagten sich das immer wieder, ein Dutzendmal die Stunde, all die langen Stunden, die sie zusammen waren, während der ersten Monate ihrer Ehe. Morey nahm sich sogar frei, um mit seiner jungen Frau einkaufen zu gehen, und das trug viel dazu bei, die Liebe noch zu steigern, die sie für ihn empfand. Sie fuhren mit ihren Einkaufswagen durch die riesigen gewölbten Korridore des Supermarkts, und Morey hakte die einzelnen Gegenstände auf ihrer Einkaufsliste ab, während Cherry die Ware auswählte. Es machte Spaß.
Eine Weile.
Ihr erster Streit fing im Supermarkt an, zwischen Frühstückslebensmitteln und Möbeln, an der Stelle, wo gerade die neue Edelsteinabteilung eröffnet wurde.
Morey las von der Liste ab: »Diamantencollier, Ohrclips, Ringe.«
Und Cherry sträubte sich: »Morey, ich habe ein Collier. Bitte, Liebster!«
Morey warf noch einen prüfenden Blick auf die Liste und blätterte eine Seite zurück. Doch da stand das Collier, und sie hatten auch keine andere Wahl.
»Wie wäre es mit einem Armband«, redete er ihr zu. »Schau, die haben dort drüben hübsche Rubine. Sieh doch, wie gut sie zu deinem Haar passen, Liebste!« Er winkte einen Robotverkäufer herbei, der sofort heranhuschte und Cherry das Tablett mit den Armbändern reichte. »Reizend«, rief Morey aus, als Cherry sich das größte aus der ganzen Auswahl über das Handgelenk schob.
»Dann brauche ich kein Collier zu kaufen?« fragte Cherry.
»Natürlich nicht.« Er warf einen Blick auf das Preisschild. »Genau die gleiche Zahl Rationspunkte!« Da Cherry ihn zweifelnd und keineswegs überzeugt ansah, meinte er noch: »Und jetzt sollten wir in die Schuhabteilung gehen. Ich muß mir noch ein Paar Tanzpumps kaufen.«
Cherry machte keine Einwände, weder jetzt noch während der restlichen Einkaufstour. Am Ende, als sie im Erdgeschoß im Aufenthaltsraum des Supermarkts saßen und darauf warteten, daß die Robotbuchhalter ihre Rechnung zusammenstellten und die Robotkassierer ihre Rationsbücher abstempelten, fiel es Morey ein, die Versandabteilung zu bitten, das Armband auszusondern.
»Ich möchte nicht, daß das mit dem anderen Zeug geschickt wird, Liebste«, erklärte er. »Ich möchte, daß du es gleich trägst. Ehrlich, ich glaube, ich habe noch nie etwas gesehen, das so gut zu dir paßte.«
Cherry blickte etwas verlegen und zugleich erfreut. Morey war stolz auf sich; nicht jeder Mann verstand sich so gut darauf, mit diesen kleinen häuslichen Problemen zurechtzukommen!
Diese Selbstzufriedenheit verließ ihn auch auf der Fahrt nach Hause nicht, während Henry, ihr Gesellschaftsroboter, sie mit lustigen Anekdoten aus der Fabrik unterhielt, in der man ihn gebaut und ausgebildet hatte. Cherry hatte sich noch lange nicht an Henry gewöhnt, aber es war schwer, den Roboter nicht zu mögen. Witze und Anekdoten, wenn man aufgeheitert werden wollte, Mitgefühl und Sympathie, wenn man deprimiert war, und ein unerschöpfliches Reservoir an Neuigkeiten und Informationen zu jedem beliebigen Thema – Henry war leicht zu ertragen. Cherry bat Henry sogar, ihnen während des Essens Gesellschaft zu leisten, und lachte ebenso herzhaft wie Morey über seine drolligen Anekdoten.
Aber später, im Konservatorium, als Henry sie dann sehr feinfühlig alleine gelassen hatte, verstummte ihr Lachen.
Morey bemerkte es nicht. Er machte sehr sorgfältig seine Runde: schaltete das Tri-D ein, wählte ihre Liköre zum Nachtisch und überflog die Abendzeitungen.
Cherry räusperte sich verlegen, und Morey hielt in seiner Beschäftigung inne. »Liebster«, sagte sie vorsichtig, »ich bin heute abend etwas durcheinander. Könnten wir… ich meine, glaubst du, wir könnten vielleicht zu Hause bleiben und… nun, ein wenig ausruhen?«
Morey sah sie mit einem Anflug von Besorgtheit an. Sie lehnte müde in ihrem Sessel, die Augen halb geschlossen. »Fühlst du dich auch wohl?« fragte er.
»Ausgezeichnet. Ich möchte heute abend nur nicht ausgehen, Liebster. Mir ist nicht danach.«
Er setzte sich und zündete sich automatisch eine Zigarette an. »Ich verstehe«, sagte er. Im Tri-D fing gerade eine Quizsendung an; er
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