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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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irgendeine Vorschrift verletzte.«
    Ich wußte, daß ich damit irgendeine Vorschrift verletzte… Eigentlich konnte man es ihr nicht zum Vorwurf machen, daß sie das Gesetz nicht kannte. Sie kam von der Erde, und es war ihr nicht deutlich, daß die Gesetze des Grenzraums notwendigerweise ebenso hart und unerbittlich zu sein hatten wie die Umwelt, die sie schuf. Dennoch, um ihresgleichen vor den Folgen ihrer eigenen Unkenntnis zu schützen, hing da eine Tafel über der Tür, die in jene Sektion der Stardust führte, die die NHS beherbergte. Eine Tafel, sichtbar für alle und unmißverständlich:
    UNBEFUGTE HABEN KEINEN ZUTRITT!
    »Weiß Ihr Bruder, daß Sie mit der Stardust nach Mimir unterwegs waren?«
    »Oh, ja. Einen Monat bevor ich die Erde verließ, habe ich ihm ein Hypergramm geschickt, in dem ich ihm von dem Examen und der Reise nach Mimir berichtete. Ich wußte bereits, daß er in etwas über einem Jahr nach Mimir versetzt wird. Dann wird er befördert und muß nicht mehr wie jetzt jedesmal ein Jahr draußen bleiben, wenn er auf Exkursion ist.«
    Auf Woden befanden sich zwei verschiedene Forschungsgruppen, und er fragte: »Wie heißt er?«
    »Cross, Gerry Cross. Er ist in Gruppe Zwei, das steht jedenfalls auf seiner Adresse. Kennen Sie ihn?«
    Gruppe Eins hatte das Serum verlangt; Gruppe Zwei war 12000 Kilometer von ihr entfernt stationiert, dazwischen lag das Westmeer.
    »Nein, ich bin ihm nie begegnet«, sagte er, dann wandte er sich den Triebwerkskontrollen zu und verringerte den Bremsfaktor auf einen Bruchteil der Erdbeschleunigung. Dabei war ihm bewußt, daß er auch so das mit absoluter Sicherheit eintretende Ende nicht abwenden konnte, doch war es das einzige, was er tun konnte, um es hinauszuzögern. Es entstand ein Gefühl, als ob das Schiff plötzlich absacke, und die unwillkürliche überraschte Bewegung des Mädchens hob sie halb von ihrem Sitz hoch.
    »Wir sind schneller jetzt, nicht wahr?« fragte sie. »Warum denn?«
    Er gestand ihr die Wahrheit. »Um für eine Weile Treibstoff zu sparen.«
    »Heißt das, wir haben nicht besonders viel?«
    Um die Antwort, die er ihr bald genug geben mußte, hinauszuschieben, erkundigte er sich: »Wie haben Sie es geschafft, an Bord zu kommen?«
    »Ich bin einfach hineingegangen, als einmal gerade niemand guckte«, sagte sie. »Ich übte mit dem Mädchen, das in den Räumen der Schiffsmagazine saubermachte, mein Galanesisch; da kam jemand mit dem Befehl wegen der Sendung für die Forschungsgruppe auf Woden. Und als das Schiff startklar war, bin ich, kurz bevor Sie an Bord kamen, in den Schrank da geschlüpft. Das war eine ganz spontane Entscheidung – als blinder Passagier mitzufliegen, damit ich Gerry besuchen könnte. Aber wie Sie mich die ganze Zeit immer so finster anschauen, weiß ich nicht, ob es eine besonders kluge Entscheidung war.
    Aber ich will auch eine vorbildliche Straffällige sein, – oder soll ich sagen Gefangene?« Wieder lächelte sie ihn an. »Ich wollte außer der Strafe auch für meinen Unterhalt bezahlen. Ich kann kochen und ich kann allen die Kleidung ausbessern und viele andere nützliche Dinge tun, sogar ein bißchen Krankenpflege.«
    Eine Frage blieb noch: »Wußten Sie, was das für Dinge sind, die die Forschungsmannschaft bestellt hat?«
    »Nein, warum? Ausrüstung für die Arbeit, nehme ich an.«
    Warum konnte sie kein Mann sein mit irgendwelchen finsteren Hintergedanken? Jemand, der vor der Justiz floh und auf einer unerforschten neuen Welt unterzutauchen suchte; ein Opportunist, der billig zu den neuen Kolonien wollte, wo er das Goldene Vlies zu finden hoffte; ein Spinner mit irgendeiner Mission…
    Vielleicht einmal im Leben stieß ein NHS-Pilot auf einen solchen blinden Passagier – verschrobene Käuze, gemeine, eigennützige Typen, brutale, gefährliche Männer –, aber nie zuvor hatte ein Pilot ein lächelndes blauäugiges Mädchen angetroffen, das nur seinen Bruder besuchen wollte und bereit war, sein Fahrgeld zu bezahlen und für seinen Unterhalt zu arbeiten.
    Er wandte sich der Schalttafel zu und drückte den Signalknopf, der den Kontakt mit der Stardust herstellte. Der Ruf würde zwar ergebnislos bleiben, aber bevor er nicht diese eine schwache Hoffnung erschöpft hatte, konnte er sie nicht packen und in die Luftschleuse stoßen, als wäre sie ein Tier – oder ein Mann. Die entstehende Verzögerung würde nicht gefährlich werden, jetzt, wo das NHS nur mit dem Bruchteil eines g abgebremst wurde.
    Aus dem Lautsprecher

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