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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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vermehrt Treibstoff verbraucht werden; kleinste Mengen, die zunächst kaum ins Gewicht fallen würden, bis das Schiff sein Ziel schon fast erreicht hätte. Dann, irgendwo über der Planetenoberfläche, vielleicht in nur dreihundert Meter oder in ein paar Kilometern Höhe, je nach der Masse von Schiff und Ladung und der vorhergehenden Bremszeit, würde der bis dahin unbemerkte Mehrverbrauch an Treibstoff plötzlich ins Gewicht fallen. Mit einem Stottern würde das NHS die letzten Tropfen verbrennen und dann pfeifend in den freien Fall übergehen. Schiff, Pilot und blinder Passagier würden beim Aufprall zu einer undefinierbaren Masse aus Metall und Plastik, Fleisch und Blut in einem tiefen Krater werden. Der blinde Passagier hatte sein eigenes Todesurteil unterzeichnet, als er sich an Bord des Schiffs versteckt hatte; man mußte verhindern, daß er noch sieben weitere Menschen mit sich nahm.
    Noch einmal betrachtete er den verräterischen weißen Zeiger, dann erhob er sich. Was er tun mußte, würde schrecklich für beide sein; je eher es vorbei war, desto besser. Er ging durch den Kontrollraum und machte vor der weißen Türe halt.
    »Raumkommen!« Jäh und hart übertönte sein Befehl das Summen der Triebwerke.
    Er glaubte das leise Rascheln einer verstohlenen Bewegung im Innern des Schrankes zu hören, dann war es still. Er stellte sich vor, wie sich der blinde Passagier in plötzlicher Furcht vor den möglichen Folgen seines Tuns tiefer in eine Ecke drückte und wie sein Selbstvertrauen verpuffte.
    »Raus, sag’ ich!«
    Er hörte, wie sich drinnen der blinde Passagier rührte, um seinem Befehl Folge zu leisten, und die Augen auf die Türe geheftet, die Hand am Hüftstrahler, wartete er.
    Die Tür öffnete sich, und lächelnd trat der blinde Passagier heraus. »Na schön, – ich geb’ auf. Was jetzt?«
    Es war ein Mädchen.
    Sprachlos starrte er sie an, die Hand am Strahler sank nach unten, und die Erkenntnis dessen, was er sah, traf ihn wie ein heftiger und unerwarteter körperlicher Schmerz. Der blinde Passagier war kein Mann – es war ein Teenager. Sie stand in weißen Zigeunersandaletten vor ihm, ihr brauner Lockenkopf kaum höher als seine Schulter; sie strömte einen feinen Duft nach Parfüm aus, und ihr lächelndes Gesicht schaute zu ihm auf, furchtlos und unwissend blickte sie ihm in die Augen und wartete auf eine Antwort.
    Was jetzt? Hätte das die tiefe trotzige Stimme eines Mannes gefragt, seine Antwort hätte in raschem und energischem Handeln bestanden. Er hätte dem blinden Passagier die Ausweiskarte abgenommen und ihn in die Luftschleuse geschickt. Hätte der Mann sich geweigert, zu gehorchen, so hätte er den Strahler benutzt. Es hätte nicht lange gedauert, in einer knappen Minute hätte er den Körper in den Raum ausgestoßen – wäre der blinde Passagier ein Mann gewesen.
    Er ging zum Kommandosessel zurück und forderte sie mit einer Handbewegung auf, auf dem kastenartigen Kurskontrollgerät, das neben ihm an der Wand stand, Platz zu nehmen. Sie gehorchte, und wie er immer noch nichts sagte, nahm ihr Gesicht langsam den ergebenen und schuldbewußten Ausdruck eines Hündchens an, das bei einer Unart ertappt worden ist und seine Strafe erwartet.
    »Sie antworten mir ja gar nicht«, sagte sie. »Ich bin schuldig, gut, aber was passiert jetzt? Muß ich Strafe zahlen oder was?«
    »Was machen Sie hier überhaupt?« fragte er. »Warum haben Sie sich auf dem NHS versteckt?«
    »Ich wollte meinen Bruder besuchen. Er ist mit der Forschungsgruppe der Regierung auf Woden und seit zehn Jahren habe ich ihn nicht gesehen – seit er die Erde verlassen hat und für die Forschungsabteilung arbeitet.«
    »Mit welchem Ziel waren Sie an Bord der Stardust?«
    »Mimir. Ich will dort eine Stelle antreten. Mein Bruder hat uns – meinen Eltern und mir – diese ganzen Jahre hindurch Geld geschickt, und er hat den Sonderkurs für Linguistik bezahlt, den ich gemacht habe. Ich konnte früher als erwartet Examen machen, und dann hat man mir diesen Job auf Mimir angeboten. Ich wußte, es würde noch fast ein Jahr dauern, bis Gerry mit seiner Arbeit auf Woden fertig wäre, deshalb habe ich mich dort im Schrank versteckt. Da hatte ich bequem Platz, und ich will ja auch die Strafe bezahlen. Wir sind nur zwei – Gerry und ich –, und ich habe ihn schon so lange nicht mehr gesehen, und wo ich ihn doch jetzt sehen konnte, wollte ich nicht noch einmal ein ganzes Jahr warten – auch wenn ich wußte, daß ich damit

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