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Titan 16

Titan 16

Titel: Titan 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
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Haar, dünne, feinfühlige Finger und – ja, aber es war tatsächlich so, er wirkte irgendwie angespannt. Aber viele Jungen waren nervös, wenn sie zum erstenmal einen – Psychiater aufsuchten. Peter wünschte sich oft, er könne sich auf ein oder zwei Schulen konzentrieren und einen Tag die Woche darauf verwenden, besser mit den jungen Leuten bekanntzuwerden.
    Auf Welles einleitende Fragen antwortete Tim mit klarer, leiser Stimme, höflich und ohne zu viele Worte zu machen. Er war dreizehn Jahre alt und lebte bei seinen Großeltern. Seine Mutter und sein Vater waren gestorben, als er noch ein kleiner Junge gewesen war, und er konnte sich nicht an sie erinnern. Er sagte, er fühle sich zu Hause wohl und ginge auch ›recht gern‹ zur Schule und spiele gern mit anderen Jungen. Befragt, wer seine Freunde wären, benannte er einige Jungen.
    »Welche Fächer magst du denn in der Schule besonders gern?«
    Tim zögerte und sagte dann: »Englisch und Rechnen… und Geschichte… und Geographie«, schloß er dann nachdenklich. Dann blickte er auf, und an seinem Blick war etwas Seltsames.
    »Was tust du denn in deiner Freizeit am liebsten?«
    »Lesen und Spielen.« »Was für Spiele?« »Ballspiele… und Murmeln… und solche Sachen. Ich spiele gerne mit den anderen Jungs«, fügte er nach einer kaum wahrnehmbaren Pause hinzu, »alles, was die gern spielen.«
    »Spielen sie bei dir zu Hause?«
    »Nein, auf dem Schulgelände. Meine Großmutter mag keinen Lärm.«
    War das der Grund? Wenn ein stiller Junge freiwillig etwas erklärt, ist es durchaus möglich, daß die Erklärung nicht stimmt.
    »Was liest du denn gerne?«
    In dem Punkt blieb Timothy ziemlich unbestimmt. Er lese gerne ›Bücher für Jungs‹, sagte er, konnte aber keine benennen.
    Welles ließ den Jungen die üblichen Intelligenztests absolvieren. Tim schien dazu bereit, aber seine Antworten ließen ziemlich lange auf sich warten. Vielleicht, dachte Welles, bilde ich mir das ein, aber er ist mir einfach zu vorsichtig – zu bedacht. Ohne es sich genau auszurechnen, wußte Welles, was Tims IQ sein würde – etwa 120.
    »Was tust du denn, wenn du nicht zur Schule gehst?« fragte der Psychiater.
    »Dann spiele ich mit den anderen Jungs. Nach dem Abendessen mache ich meine Hausaufgaben.«
    »Was hast du gestern gemacht?«
    »Gestern spielten wir auf dem Schulspielplatz Handball.«
    Welles wartete ab, ob Tim etwa aus eigenem Anstoß etwas sagen würde. Die Sekunden dehnten sich zu Minuten.
    »Ist das alles?« fragte der Junge schließlich. »Darf ich jetzt gehen?«
    »Noch nicht, ich würde noch gerne einen Test mit dir machen. Eigentlich ein Spiel. Hast du eine lebhafte Fantasie?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Sprünge in der Decke – wie die dort oben – erinnern die dich an irgend etwas? Gesichter, Tiere oder so?«
    Tim sah hin.
    »Manchmal. Und auch an Wolken. Bob hat letzte Woche eine Wolke gesehen, die wie ein Nilpferd aussah.« Wieder klang jener letzte Satz wie etwas im letzten Augenblick Angeflicktes, wie ein aus ganz bestimmtem Grund angehängter Nachsatz.
    Welles holte die Rorschach‐Karten heraus. Als sein Patient sie sah, steigerte sich seine Spannung, und seine Vorsicht wurde unverkennbar deutlich. Als sie das erstemal das Kartenspiel durchblätterten, war der Junge kaum dazu zu überreden, irgend etwas anderes als ›Ich weiß nicht‹ zu sagen.
    »Du kannst das viel besser«, sagte Welles. »Jetzt nehmen wir uns die Karten noch einmal vor. Wenn du in diesen Bildern nichts siehst, muß ich dich als Versager kennzeichnen«, erklärte er. »Das geht nicht. Bei den anderen Dingen bist du recht gut klargekommen. Vielleicht machen wir das nächstemal ein Spiel, das dir besser gefällt.«
    »Ich habe jetzt keine Lust, dieses Spiel zu machen. Können wir es nicht ein andermal spielen?«
    »Wir sollten es jetzt hinter uns bringen. Weißt du, es ist nicht nur ein Spiel, Tim, es ist ein Test. Gib dir mehr Mühe, dann geht es schon.«
    Also erklärte Tim diesesmal, was er in den Tintenklecksen sah. Sie gingen die Karten langsam durch, und der Test zeigte Tims Angst und daß es da irgend etwas geben mußte, das er verbarg; das war aber nur aus seiner übertriebenen Vorsicht zu schließen und auch daran zu bemerken, daß er ganz offenkundig dem Psychiater nicht vertraute und eine ungewöhnlich hohe emotionelle Selbstkontrolle an den Tag legte.
    Miß Page hatte recht gehabt; der Junge brauchte Hilfe.
    »So«, meinte Welles vergnügt, »das hätten wir. Wir gehen

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