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Titan 17

Titan 17

Titel: Titan 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn , Wolfgang Jeschke
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reich an wohlschmeckenden Früchten war?«
    »Du sagst, daß Hale und Shirley vor vielen Zeitaltern auf eure Welt kamen? War sie denn damals noch nicht bevölkert?«
    »Es gab Tiere, von denen manche entsetzlich groß und schrecklich gepanzert waren. Aber unsere von der Erde geschickten Vorfahren überwanden sie, weil sie ihnen an Intelligenz weit überlegen waren, und ihre Kinder machten sich schrittweise den ganzen Planeten Untertan. Wir stammen von ihnen ab. Wir haben ihre Sprache, ihre Traditionen und ihre Religion bewahrt und auch das Große Versprechen gehütet.«
    »Das Große Versprechen?«
    »Das Große Versprechen«, intonierte der Elektronit mit einer für seine geringe Größe kaum glaublichen Tiefe, »wurde uns von Hael und Shuerrely gegeben. Sie erklärten, daß ein mächtiger Zauberer, ein Engel mit unglaublicher Macht und großem Wissen, eines Tages die weite und leere Erde durchdringen würde.
    Sie ordneten an, daß sich ihre Kinder dort niederlassen sollten, wo sie zuerst erschienen waren. Dort sollten sie auf die Ankunft des Engels warten, den sie Kosmischer Strahl nannten. Viele sind von der einzig wahren Religion abgefallen, aber wir haben an dem heiligen Platz einen Tempel erbaut und das Große Versprechen bewahrt!«
    Mit matter Stimme und einem inneren Schmerz sagte Halley: »Ich bin Shirleys Vater und Haies Freund. Es ist nicht einmal eine Stunde her, seit ich sie nach Elektron geschickt habe!«
    Aber seine Nachkommen, die Tausende von Generationen nach ihm geboren worden waren, hatten sich bereits wieder auf die Knie geworfen und stimmten einen Choral an.
    Professor Halley befand sich in einer äußerst mißlichen Lage. Einer Mordanklage war er nur knapp entgangen, denn das Verschwinden seiner Tochter und seines Assistenten führte natürlich dazu, daß man ihn verhörte und ihm nachzuweisen versuchte, daß er sich mit Hilfe seiner verdächtig aussehenden Maschine, die sich eines kosmischen Strahls bediente, der beiden entledigt hatte. Er hatte sich von diesem häßlichen Verdacht kaum befreit, als er Schwierigkeiten mit den Einwanderungsbehörden bekam, die nicht wußten, was sie mit den vielen zwergenhaften Wesen, die man nirgendwo unterbringen konnte, anfangen sollten. Professor Halley weigerte sich natürlich, sie ohne ihre Einwilligung nach Elektron zurückzubringen, was auch keiner von ihnen wollte. Schließlich willigten die Behörden ein, den Elektroniten, nachdem sie auf normale Größe gebracht worden waren, die Bürgerrechte zu gewähren. Es fanden sich Freunde, die ihnen dabei behilflich waren, sich in die neue Gesellschaft zu integrieren, und wenn man den neuesten Berichten glauben darf, geht es dem größten Teil von ihnen heute ausgezeichnet.
    Nach vielen Versuchen gelang es dem Autor dieser Zeilen endlich, von Professor Halley einen Bericht aus erster Hand zu erhalten und an seinen Erfahrungen und einer detaillierten Erklärung der Funktionsweise seiner Erfindung beizuwohnen. Die technischen Einzelheiten, die mit dieser Geschichte zu tun haben, wollen wir beiseite lassen. Wichtiger ist die Erklärung des Professors, die den bemerkenswert schnellen Lebensrhythmus betrifft, der auf Elektron herrscht.
    »Ich mache mir zum Vorwurf«, sagte Professor Halley, »daß ich diesen wichtigen Punkt übersehen konnte. Es stimmt zwar, daß dieses Sub-Universum dem unseren gleicht, und es entspricht auch der Wahrheit, daß die Elektronen Kreise beschreiben, die in gewisser Weise den Bahnen von Planeten gleichen, die sich um eine Sonne bewegen, aber ich habe die Tatsache übersehen, daß dieses andere Universum in seiner Winzigkeit auch einem gänzlich andersgearteten Zeitablauf unterliegt. Die Erde benötigt ein Jahr, um die Sonne einmal zu umrunden; ein Elektron umkreist seinen positiven Kern jedoch in jeder Sekunde mehrere Millionen mal. Aber jedesmal, wenn es eine Umrundung vollbracht hat, ist für seine Bewohner ein Jahr vergangen.
    Noch bevor ich auch nur ein Lid bewegt hatte, hatten Shirley und Hale gelebt, sich geliebt, waren gestorben und hatten viele Generationen ihrer Nachkommen ein Lebensalter hinter sich gebracht. Für sie war es normal – für uns unvorstellbar kurz.«
    Er wandte sein unbewegliches Gesicht müde dem Fenster zu und starrte mit leerem Blick auf den verlassenen Collegehof hinaus. Man sagt, daß sein wissenschaftlicher Apparat inzwischen verstaubt sei, da er ihn nie mehr benutzt habe, aber die Collegeleitung hat beschlossen, daß er an der Fakultät bleiben darf,

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