Titan 17
Kartoffeln zogen so scharf im Preis an, daß sie für einen normalen Sterblichen nicht mehr erschwinglich waren; Fleisch wurde aufgrund der ausgedehnten Verwüstungen von Weideland so knapp, daß es zum luxuriösesten aller Luxusnahrungsmittel geriet. Und nur die Wohlhabenden gingen ihren Tätigkeiten nach, ohne die Klauen des Hungers zu spüren, während in allen Städten der Erde Tausende Verarmte für einen Teller Suppe oder ein Stück trockenes Brot Schlange standen und vergeblich klagten, daß ihre hageren, ausgemergelten Kinder und ihre ausgezehrten, weinenden Frauen zu Hause die Folgen des Hungers noch schrecklicher zu spüren bekamen.
»Beendet den Krieg! Beendet den Krieg! Beendet den Krieg!« ging der Ruf durch alle Lande. Denn während der Hunger mit seinen Gefährten Plünderung und Aufstand seine Skelettfinger knackend um die Erde legte, hetzten die Herren des Reiches, die in ihren Vorratskammern noch genügend Brot vorfanden, die unterernährten Massen immer noch mit Bomben und Bajonetten gegeneinander. Und inzwischen beratschlagten die Männer der Wissenschaft hinter verschlossenen Türen und gelangten endlich zur Meinung, der Krieg müsse von allein zu einem Ende kommen; und dennoch könnten nur heroische Maßnahmen die menschliche Rasse retten.
Es wäre sinnlos, im einzelnen auf die weiteren Ereignisse dieser tragischen Tage einzugehen und auf die Hunderttausenden hinzuweisen, die in China, Sowjetrußland, England, Indien und den Vereinigten Staaten den Hungertod starben; auch hätte es keinen Zweck, den Verlauf der großen Pestilenz zu beschreiben, die die Hungersnot begleitete und zeitweilig ganze Kontinente mit einem Fegefeuer überzog, das jeder Beschreibung spottet. Übergehen wir besser diese unglücklichen Ereignisse, neben denen sich die Schwarze Pest, die einst Europa entvölkerte, wie eine harmlose Grippeepidemie ausmachen würde; auch die einzelnen Schritte, in denen sich die Voraussagen der Weisen erfüllten, daß der Mensch automatisch dem Krieg gegen den Menschen Einhalt gebieten müsse, um im noch verzweifelteren Kampf um dasÜberleben der gesamten Rasse bestehen zu können, betrachten wir ebenfalls besser nicht im Detail.
Festzuhalten ist lediglich, daß eine Zeit kam, da alle verbliebenen Energien unserer Gattung auf die Lösung des Problems der Gaspflanze gerichtet wurden. Aber wie sollte man dieses Problem angehen? Wie sich mit einem Gegner messen, dessen Kriegsausrüstung so uneinnehmbar, dessen Kampfmethoden so verschieden von allen anderen bislang bekannten waren? Die führenden Köpfe aller Nationen beschlossen in einer Konferenz, bei der auf einmal jedes politische Gezänk angesichts der Atmosphäre des Schreckens und der Verzweiflung vergessen war, eine umfassende internationale Zusammenarbeit. Chemiker und Botaniker sollten in großem Umfang die Gaspflanze untersuchen; hochdotierte Preise wurden auf jede wichtige Entdeckung ausgesetzt; die Laboratorien aller Länder sollten den Forschern geöffnet und die Ergebnisse ihrer Arbeit Allgemeingut aller Nationen werden. So weit, so gut! – aber was, wenn ihre Studien keine Ergebnisse brachten? Diese Frage stellten die Pessimisten, denn die Tage zogen vorbei, ohne ermutigende Ergebnisse zu bringen, und immer schneller verbreitete sich die Gaspflanze mit ihrer ungeheuerlichen Fruchtbarkeit sowohl über Felder als auch Wüsten, alles zerstörend, unersättlich in ihrer Gier nach Raum.
Unmöglich kann abgeschätzt werden, wieviele tapfere Männer, die sich bei ihren Untersuchungen zu nah an die Gaspflanze heranwagten, unter ihrem Giftgas oder ihren scharfen Klingen starben. Unmöglich kann festgestellt werden, wieviele andere Menschen sich ihr Leben aus Verzweiflung nahmen, im Wahnsinn starben, den Seuchen und der Hungersnot erlagen. Es gibt keine Möglichkeit, solche Statistiken aufzustellen, denn die Menschheit konnte in der tödlichen Umklammerung des Invasoren keinen Gedanken mehr an bloße Verlustziffern verschwenden. Wir können lediglich mit Gewißheit sagen, daß mindestens neunzig Prozent der menschlichen Rasse ausgelöscht wurden, und etwa die Hälfte aller Ackerbauflächen der Erde wurden vernichtet, bevor der Zufall die Lösung brachte, die kein menschlicher Scharfsinn hätte aufspüren können.
In dem obskuren Laboratorium einer medizinischen Hochschule im Osten der Vereinigten Staaten hatte ein junger Arzt, Francis Leighton war sein Name, Forschungen über den Erreger des Krebses betrieben, einer Krankheit, die in
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