Titan 17
Gaspflanze gelöst! Er wußte jetzt, daß sie nicht von dieser Erde stammte! Ihre Saat war von dem Meteoriten zu uns getragen worden; sie stammte aus einer anderen Welt, einem anderen Universum!
Diese verblüffende Tatsache verkündete Krass. Aber die Menschheit teilte in ihrer üblichen Skepsis gegenüber dem Ungewöhnlichen seinen Enthusiasmus nicht. Viele Menschen lächelten zuerst ungläubig und erklärten sich nicht bereit, eine Geschichte zu akzeptieren, die so offensichtlich allen bisherigen Erfahrungen widersprach. Wie, so fragten die Zweifler, kann ein Meteorit eine Saat in sich tragen? Wie kann er diese Saat erhalten, daß sie nach vielleicht Millionen von Jahren noch zu einer Keimung fähig war? Und wie, ihre bloße Existenz einmal vorausgesetzt, kann sich diese Saat auf der Erde ausbreiten, in einer Umgebung, die sich von der ihrer Heimatwelt wahrscheinlich grundlegend unterscheidet?
All diesen Fragen lauschte Krass geduldig, und auf jede gab er eine Antwort. Abgesprengt von der Oberfläche eines entfernten Planeten, durch irgendeine Sintflut etwa, einen Vulkanausbruch, eine Kollision mit einer anderen Welt, hätte der Meteor durchaus die Teile eines Felsens oder eines Streifens Erde in sich tragen können, der im Keimstadium befindliche Samen enthielt; und wenn diese Saat klein genug und durch angestammte Anpassungsfähigkeit an extreme Druck- und Temperaturverhältnisse ausreichend gewappnet war, hätte sie im eisernen Herzen des Meteors bestehen bleiben können, sicher vor allen Temperaturänderungen und ungerührt vom Verlauf der Jahrmillionen. Und als sie auf der Erde günstige Lebensbedingungen vorfand – also eine Umgebung, die Sonnenlicht, Luft und einen ausreichend warmen Boden einschloß –, war sie sofort wieder zum Leben erwacht und hatte sich so schnell wie in ihrer angestammten Muttererde entwickelt. Und darin lag wirklich nichts Außergewöhnlicheres, wie Krass schmerzhaft deutlich machte, als eine australische Pflanze in Nordamerika anzusiedeln, oder eine nordamerikanische in Australien; das wirkliche Wunder lag darin, daß solch eine Verpflanzung noch nie zuvor stattgefunden hatte, außer, sie hatte sich ohne unser Wissen schon tausendmal ereignet und stellte eine der obskuren Ursachen für die Herkunft mancher Arten dar.
Innerhalb weniger Tage hatte Krass einige weitere ungewöhnliche Tatsachen über die Gaspflanze bekannt gemacht. Zum einen hatte er eine chemische Analyse der jungen Schößlinge vorgenommen, als sie noch relativ weich und biegsam waren und noch nicht jene stählerne Härte angenommen hatten, die für die voll entwickelten Pflanzen so charakteristisch war. Er hatte entdeckt, daß sie – wie auch die Samenkörner – aus einer so komplexen Siliziumverbindung bestanden, daß ihre chemische Formel durch keine Analyse ermittelt werden konnte; die Zusammensetzung der Pflanzen unterschied sich grundlegend von jeder anderen je auf der Erde bekanntgewordenen Substanz. Krass’ Theorie – die zwar auf unvollständigen Untersuchungen beruhte, sich aber später in allen Einzelheiten als richtig erweisen sollte – sprach der Gaspflanze eine völlig andere chemische Zusammensetzung zu, als sie irgendein terrestrischer Organismus besaß: statt des Chlorophylls, das alle grünen Pflanzen aufweisen, besaß sie ein rötliches Pigment, das sie befähigte, das Sonnenlicht als Wachstumsgrundlage zu benutzen; statt des wohlbekanntem Protoplasmas mit Kohlenstoff und Stickstoff als Grundlage, wies sie eine gleichermaßen komplexe, aber auf Silizium als essentiellem Bestandteil basierende Molekularstruktur auf. Dies erklärte laut Krass nicht nur, warum das Gewächs so gut auf dem Sandstrand gedieh, der mit seinem schier unerschöpflichen Siliziumdioxidvorkommen einen idealen Nährboden darstellte, sondern auch, warum es kieselhaltige Wälle aufbauen konnte, für die verschiedene Silikatverbindungen benötigt wurden.
Und das erklärte nach Meinung der Wissenschaftler ebenfalls, warum man sich diesem Gewächs nicht nähern konnte, warum es jedem menschlichen Leben gegenüber so feindlich eingestellt war. Denn daß es jegliches Leben vernichtete, sowohl bei seiner Ausdehnung als auch in der Verteidigungsposition, wurde sehr schnell offenbar. Anscheinend gedieh es prächtig und entwickelte sich mit einer Geschwindigkeit, die für unmöglich gehalten worden wäre, hätten die nüchternen Tatsachen nicht jeden Zweifel ausgeschlossen. Von den vierzig Quadratmeilen, die es gerade
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