Titan 17
er nicht mehr genug Schlaf bekam, und sie war sicher, daß sich diese Schlaflosigkeit negativ auf seine Arbeit als Litzen- und Schnürsenkelverkäufer auswirken mußte. Aber genau damit verdienten sie seit Jahr und Tag ihren Lebensunterhalt, und gerade jetzt war das von besonderer Bedeutung, seit sie die kleine Angelika hatten. Sie sagte es immer auf diese Art und Weise, die Initiative für das Baby ergreifend, als ob sie damit die Last von ihren Schultern nehmen könnte, mit dem Hauptfaktor für eine kameradschaftliche Ehe gescheitert zu sein.
Die Smiths lebten im Altbauviertel der Stadt. Tatsächlich behaupteten böse Zungen hinter ihrem Rücken, daß sie in den Slums lebten. Wie auch immer, ihr Haus hatte im zweiten Stockwerk einen weitläufigen Balkon. Dieser Balkon hatte kein Dach und war deshalb als Start- und Landeplatz für Smiths neuen Antigravitations-Apparat ideal geeignet. Zwei kleinere Schlafzimmer gingen durch Flügelfenster auf diesen Balkon. Die Tatsache, daß die Schlafzimmer miteinander verbunden waren, machte es zu einem idealen Arrangement. Angelika schlief in dem einen Zimmer, ihre Eltern in dem anderen. Wenn sie schrie, war es sehr einfach für den, der sie zuerst hörte, nach ihr zu sehen – und Robert Smith hatte einen leichten Schlaf.
Allmählich baute Smith seine Maschine auf dem Balkon zusammen. Wenn er nicht daran arbeitete, legte er eine alte Segeltuchdecke darüber. Für seine Frau sah es aus, als wäre es ein alter Stuhl; deshalb nörgelte sie nicht daran herum, und als die Witterung kühler wurde, zog sie ihn auf, weil er den Ventilator benutzte. Auf ihre Art liebte sie ihn, aber vielleicht hätte ihre Liebe ihrer Bewunderung geglichen, wäre er in der Lage gewesen, der Familie ein besseres Einkommen zu sichern. Nichtsdestotrotz liebte sie ihn, und obwohl ihr das Leben nicht das brachte, was sie sich erhofft hatte, war sie geneigt, es philosophisch zu sehen. So ließ sie denn seinen lustigen alten Stuhl in Ruhe, und fuhr fort, Strümpfe zu stopfen, und versuchte, für einen Dollar Nahrungsmittel für zwei zu bekommen.
Endlich war die Maschine fertig. Eines Nachts saß Smith in dem Stuhl und testete die verschiedenen Teile. Ein Knopf startete das Kreiselsystem, ein anderer den Ventilator, während ein dritter den Ventilator auf seiner metallenen Bank lenkte. Es gab noch weitere Knöpfe, die mit dem Magneten verbunden waren, aber sie waren nutzlos, weil er seinen neuen Anzug noch nicht an hatte. Mehrere Nächte, nachdem der Anzug geliefert worden war, wartete er, bis seine Frau eingeschlafen war, und nahm ihn dann liebevoll aus dem Mottenschutz. Der Schneider hatte sich wirklich geschickt angestellt, den Draht einzunähen.
Es war alles fertig. Mehrere Abende waren für das Mathematische der Erfindung draufgegangen. Er wollte ganz sicher sein, daß sie kräftig genug war, sein Gewicht und das der Maschine zu tragen. Während er arbeitete, kam ihm der Einfall, daß seine Berechnungen unnötig waren, denn wenn die Permlegierung von dem Magneten abgestoßen wurde, mußte sie alles mit sich ziehen, was an ihr befestigt war. An diesem Punkt kam ihm eine neuerliche Idee, ein Block aus Permlegierung auf Rädern, der andauernd von einem Magneten auf Rädern abgestoßen wurde. Der bloße Gedanke daran – die fortdauernde Umdrehung, fast schon ein perpetuum mobile – ließ ihn so schwindlig werden, daß er fast aus seinem Stuhl fiel, und seine Frau darauf bestand, daß er eine Dosis Kalomel zu sich nahm.
Am Ende seiner Berechnungen war er befriedigt darüber, nichts außer acht gelassen zu haben. Es blieb nur noch, den neuen Anzug anzulegen, sich zum Stuhl zu schleichen und ein paar Knöpfe zu drücken. Er beschloß, bis zum nächsten Vollmond zu warten, und das war nur noch eine Nacht. Dann, wenn er sicher sein konnte, daß seine Frau fest schlief, würde er sich anziehen und entschweben. Auf seltsame Weise – es zu verstehen, fiel ihm schwer – bedeutete für ihn dieses erste Abenteuer in der Luft Freiheit, und ebenso wenig verstand er es, von was er befreit werden wollte.
Er hatte nur Angst, es könnte regnen. Vielleicht konnte er einen Regenschirm mitnehmen, aber irgendwie schien ihm das unkleidsam.
Als der nächste Abend anbrach, sah er, daß seine Ängste unbegründet waren. Es war nicht nur klar, es war sogar eine wundervolle Nacht. Ein starker Wind hatte die Atmosphäre gereinigt; und es war warm; um zweiundzwanzig Uhr gab es ein bewegtes Lüftchen, und der Mondenschein war so
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