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Titan 18

Titan 18

Titel: Titan 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brain W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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verkrampften sich. »Das ist eine geradezu krankhafte Einstellung – ein Reflex, der das unabhängige Denken jedesmal dann ausschaltet, wenn Sie sich irgendwelchen Autoritäten gegenübersehen. Sie scheinen überhaupt keine Zweifel daran zu haben, daß der Kaiser mächtiger ist als Sie, oder Hari Seldon klüger. Und das ist falsch, verstehen Sie das denn nicht?«
    Aus irgendeinem Grund gab ihm niemand Antwort.
    Und Hardin fuhr fort: »Aber das sind nicht nur Sie. Das ist die ganze Galaxis. Pirenne hat Lord Dorwins Vorstellungen von wissenschaftlicher Forschung gehört. Lord Dorwin meinte, man werde dadurch zu einem guten Archäologen, indem man alle Bücher liest, die sich mit dem Thema befassen, Bücher, die von Leuten geschrieben wurden, die seit Jahrhunderten tot sind. Er glaubte, archäologische Rätsel löste man dadurch, daß man widersprüchliche Aussagen gegeneinander abwägt. Und Pirenne hörte zu und erhob keine Einwände! Sehen Sie denn nicht, daß es so einfach nicht geht, daß daran etwas nicht stimmt?«
    Wieder der fast flehentliche Ton in seiner Stimme. Wieder keine Antwort.
    Er fuhr fort: »Und Sie, meine Herren, und halb Terminus, sind genauso schlimm. Wir sitzen hier und sehen das höchste Gut in der Enzyklopädie. Wir betrachten es als das größte Ziel der Wissenschaft, Daten aus der Vergangenheit zu klassifizieren. Das ist wichtig, aber gibt es denn keine weitere Arbeit, die getan werden muß? Wir gleiten zurück und vergessen, sehen Sie das denn nicht? Hier, in der Peripherie, ist das Wissen um die Atomenergie verlorengegangen. Auf Gamma Andromeda ist ein Kraftwerk in die Luft geflogen, weil es schlecht repariert wurde, und der Kanzler des Imperiums beklagt sich, daß Atomtechniker knapp sind. Und die Lösung? Neue auszubilden? – I wo, niemals! Statt dessen schränkt man den Einsatz der Atomkraft ein.«
    Und zum drittenmal: »Sehen Sie das denn nicht? Das umfaßt die ganze Galaxis. Das ist eine Verherrlichung der Vergangenheit. Das ist der Niedergang – die Stagnation!«
    Er starrte sie einem nach dem anderen an, und sie fixierten ihn wie gebannt.
    Fara erholte sich als erster. »Nun, mystische Philosophien werden uns hier nicht weiterhelfen. Wir wollen die Dinge doch ganz konkret sehen. Leugnen Sie, daß Hari Seldon mit Leichtigkeit die historischen Trends der Zukunft vermittels einfacher psychologischer Techniken hätte ausarbeiten können?«
    »Nein, natürlich nicht«, rief Hardin. »Aber wir dürfen uns nicht darauf verlassen, daß er uns eine Lösung gibt! Bestenfalls könnte er uns das Problem aufzeigen, aber wenn es je eine Lösung geben soll, müssen wir sie selbst finden! Er kann das nicht für uns tun.«
    Plötzlich meldete sich Fulham zu Wort. »Was meinen Sie damit – ›Problem aufzeigen‹? Wir kennen das Problem.«
    Hardin wirbelte zu ihm herum. »So? Das glauben Sie? Sie meinen, Anacreon wäre alles, was Hari Seldon beunruhigen könnte? Da bin ich anderer Ansicht! Ich sage Ihnen, meine Herren, bis jetzt hat noch keiner von Ihnen auch nur andeutungsweise eine Vorstellung von dem, was hier wirklich vor sich geht.«
    »Und Sie haben die?« fragte Pirenne feindselig.
    »Ich denke schon!« Hardin sprang auf und schob seinen Stuhl weg. Seine Augen blickten kalt und hart. »Wenn hier etwas feststeht, dann, daß die ganze Situation aus dem Halse riecht; hier geht es um etwas viel Größeres als alles, wovon wir bisher gesprochen haben. Stellen Sie sich doch selbst die Frage: Warum gab es denn in der ursprünglichen Bevölkerung der Stiftung mit Ausnahme von Bor Alurin keinen einzigen erstklassigen Psychologen? Und er achtete sorgfältig darauf, daß seine Schüler nur in den Grundzügen seiner Wissenschaft ausgebildet wurden.«
    Ein paar Augenblicke lang herrschte Schweigen. Dann sagte Fara: »Also gut. Warum?«
    »Weil ein Psychologe vielleicht erkannt hätte, was das alles zu bedeuten hatte – und zwar zu früh, als daß es Hari Seldon in den Kram gepaßt hätte. So sind wir einfach weitergestolpert, haben nebelhafte Andeutungen der Wahrheit bekommen und sonst nichts.
    Und das ist es, was Hari Seldon wollte.«
    Er lachte sarkastisch. »Guten Tag, meine Herren!«
    Und damit verließ er den Raum.
    Bürgermeister Hardin kaute auf seiner Zigarre herum. Sie war ihm ausgegangen, aber er war weit über das Stadium hinaus, in dem man so etwas bemerkt. Er hatte die ganze letzte Nacht nicht geschlafen, und hatte die Vorstellung, daß er auch in der kommenden Nacht nicht schlafen würde.

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