Titanen-Trilogie 01 - Das Erbe der Titanen
wieder frei. Sos hätte den Kampf jetzt beenden können, doch wollte er sich und den anderen beweisen, daß das Lasso in vielerlei Gestalt siegen konnte. Er wollte die Schwächen seiner Waffe herausfinden, ehe er eine ernsthafte Begegnung antrat.
Beim dritten mal näherte sich der Gegner schon vorsichtiger und hielt einen Arm hoch, um der schlängelnden Schnur zu entgehen. Der Mann wusste jetzt, daß das Seil zwar eine Rarität, aber kein Spielzeug war. Jedenfalls eine Waffe, vor der man auf der Hut sein mußte. Dann sprang er plötzlich vor und versuchte, einen Überraschungshieb anzubringen. Sos schlug ihm mit dem Seilende gegen die Stirn und blendete ihn.
Der Mann wich zurück. Er wusste, daß er geschlagen war. Über seinen Augen wurde eine rote Strieme sichtbar. Den Zuschauern war klar, daß Sos das Lasso absichtlich ein paar Zentimeter höher hielt, um seinem Gegner eine schreckliche Verwundung zu ersparen. Der Stabkämpfer mußte jetzt wegen seiner stark tränenden Augen fast blind zuschlagen.
Sos ließ alle Wachsamkeit beiseite und suchte nach einem versöhnlichen Weg, das Duell rasch zu beenden. Da gelang dem Gegner zufällig ein harter Schlag seitlich gegen Sos' Kopf. Der Kampfstock war zwar keine Keule, konnte einen Mann aber leicht außer Gefecht setzen. Sos war momentan ganz benommen. Sofort drang sein Gegner mit der anderen Stange auf ihn ein und drosch auf Sos' Kopf und Schultern ein, bis Sos endlich ausweichen konnte.
Er hatte tatsächlich zu lange nicht mehr im Ring gestanden! Er hätte seinen Angriff nie abbrechen dürfen. Dabei hatte er noch Glück, daß der andere nur mit Reflexen und nicht mit überlegtem Können arbeitete und ziellos zugeschlagen hatte. Sos hatte jedenfalls seine Lektion bekommen und würde sie nie mehr vergessen.
Sos hielt Distanz, bis sein Kopf wieder klar war. Dann wollte er den Kampf rasch beenden. Er warf das Lasso um die Beine des Mannes und riss ihm die Füße unter dem Leib weg. Mit eingezogenen Schultern, um die Schläge abzufangen, beugte er sich über den Gegner und fesselte ihm beide Arme mit einer zweiten Schlinge. Dann packte er die Schlingen mit beiden Händen und stemmte den Gegner hoch.
Sos warf seinen Gegner in hohem Bogen aus dem Ring. Er landete auf dem Rasen jenseits des Kiesstreifens. Ernsthaft verletzt war er nicht, aber völlig gedemütigt.
Das Lasso hatte sich im Kampf behauptet.
Die folgenden Wochen festigten Sos' Ruf als Kämpfer - auch gegen andere Waffen. Das Seil behinderte die Hand des Gegners, die das Schwert oder die Keule führte, und wirkte als Verteidigung, indem es den Angriff unmöglich machte. Die Lassoschlinge wiederum hielt ihm die Hände der Dolchkämpfer vom Leibe.
Noch immer hatte er nichts Konkretes von Sols Stamm erfahren, als habe der Erdboden ihn verschluckt. Schließlich befolgte Sos den Rat, den er in der Herberge bekommen hatte, und suchte den nächsten größeren Stamm auf.
Das war zufällig der sogenannte Doppelstamm von Pit. Sos war nicht sicher, ob dessen Anführer einem einzelnen Krieger Auskunft erteilen würde. Pit stand nämlich im Ruf, mürrisch und geheimnistuerisch zu sein. Doch Sos hatte keinen Partner, mit dem er gemeinsam um Auskunft hätte kämpfen können, Keiner der Männer, denen er begegnet war, war es wert, für ihn das Leben im Ring zu riskieren.
Sos tat diese Überlegungen mit einem Achselzucken ab und machte sich auf den Weg zum Lager Pits. Er mußte die Dinge eben an sich herankommen lassen.
Drei Tage später traf Sos einen riesigen Keulenkämpfer, der in die entgegengesetzte Richtung wanderte, seine Waffe in die Luft warf und unmelodiös vor sich hinsummte. Sos blieb erstaunt stehen. Nein, es war kein Zweifel möglich.
Das war Bog, der unermüdliche Kämpfer, der Sol einen halben Tag lang aus purer Freude am Kampf verdroschen hatte!
»Bog!« rief er.
Der Riese blieb stehen, ohne ihn wiederzuerkennen. »Wer bist du?« fragte er und richtete die Keule auf ihn.
Sos erklärte, wo sie einander begegnet waren. »Guter Kampf!« rief Bog aus. An Sol konnte er sich erinnern, doch wusste er weder, wohin Sols Stamm gezogen war, noch interessierte es ihn.
»Warum kennst du nicht mit mir?« fragte ihn Sos, der an den Ruf von Pits Stamm dachte. Zusammen mit diesem Mann . . .?
»Ich bin auf der Suche nach Sol. Suchen wir ihn doch gemeinsam. Unterwegs ergibt sich vielleicht wieder die Gelegenheit zu einem guten Kampf.«
»Gut!« stimmte Bog herzlich zu. »Du kommst mit mir!«
»Ich möchte mich aber
Weitere Kostenlose Bücher