Titanen-Trilogie 03 - Der Sturz der Titanen
führte.
Neq bedachte sie mit einem matten Blick. »Ich töte. Aber ich lüge nicht.«
Sie wandte sich von ihm ab. »Noch töte ich dich nicht.«
»Du willst, daß der Berg tot bleibt?«
»Nein!«
»Dann sag mir eines: Was bedeutet dir Helicon? Wurdest du dort nicht gefangengehalten und schließlich betrogen? Hasst du ihn nicht?«
»Helicon war meine Heimat, die ich liebte!«
Er sah sie verblüfft an, wie sie da im Mondschein vor ihm stand. »Möchtest du dann wie ich, daß es wiederersteht?«
»Nein! Ja!« rief sie unter Tränen aus.
Neq beließ es dabei. Er wusste, was tiefer Kummer bedeutete und was das brennende Verlangen nach Rache. Und die Sinnlosigkeit dessen. Vara steckte mittendrin so wie er bei Neqas Tod. So wie er eigentlich jetzt auch noch drinsteckte. Es konnte Monate, ja Jahre dauern, bis sie wieder zu sich selbst und zu den anderen fand, und dann würde sie nicht mehr so hübsch sein.
Er schlug gegen die flachen Metallplättchen des Glockenspiels und stimmte eine neue Weise an. Und dann sang er, und Vara hatte nichts dagegen einzuwenden. Ich erkenne meiner Liebsten Gang, Ich erkenne meiner Liebsten Sang . . .
Tyl schlief trotz ihrer lauten Unterhaltung ruhig weiter.
»Als ich Var zum ersten Mal sah«, erzählte Vara, »da stand er auf der Hochfläche des Mount Muse und spähte über den Rand herunter. Er hätte einen Stein auf mich herunterrollen lassen können, doch er tat es nicht, weil er nicht zu denen gehörte, die einen Vorteil schamlos für sich ausnützen.«
»Warum sollte jemand einen Stein auf dich rollen lassen?« fragte Neq, dem nicht gefallen wollte, wie sie von dem Toten sprach.
»Wir traten im Einzelkampf gegeneinander an. Das weißt du.«
»Warum schickte Bob ein Kind aus?« War er endlich in Reichweite der Wahrheit gelangt?
»Und nach dem Kampf, da froren wir, und er hielt mich umschlungen, damit ich mich erwärmte. Er gab mir seine Wärme. Er war immer so großzügig.«
Sie waren für einander entgegengesetzte Ziele am Werke.
»Würdest du deinen Gegner wärmen, wenn er fröre?« fragte sie.
»Nein.«
»Siehst du! Var war ein Lebensspender, kein Todesspender.«
Sie hatte ihn kränken wollen, und sie hatte es tatsächlich geschafft. Wie konnte er diesem verbitterten Mädchen wiedergeben, was er ihr genommen hatte?
*
»Ein Hinterhalt«, murmelte Tyl. »Gut gemacht. Ich habe ihn zu spät bemerkt. Ihr zwei macht einen Ausfall, während ich euch Deckung gebe.«
Weder Neq noch Vara reagierten erkennbar. Dazu waren sie taktisch zu versiert. Sie wechselten einen Blick verstohlenen Einverständnisses, denn keiner der beiden hatte die Situation erkannt. Wenn aber Tyl sagte, sie wären in einen Hinterhalt geraten, dann entsprach dies sicher der Wahrheit, auch wenn der Wald verlassen schien.
Vara drehte sich lässig um, als wolle sie umkehren. Neq folgte ihr mit einem Achselzucken, während Tyl müßig vor sich hinpfeifend an einen Baum trat, als wolle er seine Notdurft verrichten. Doch es war zu spät. Die Falle schnappte zu, und sie waren darin gefangen.
Von vorne und hinten, von allen Seiten tauchten Männer auf und umringten sie. Sie trugen Keulen und Stäbe und Stöcke. Merkwürdigerweise keine Klingen. Und jetzt sah Neq auch, wie sie zu dritt in diese Falle getappt waren. Die Wegelagerer waren aus Löchern in der Erde aufgetaucht! Die Falltüren glichen dem Waldboden und waren mit Laub bedeckt, so daß nichts zu bemerken war, ehe sie sich öffneten.
Für einen gewöhnlichen Hinterhalt ein riesiger Aufwand! Und keine scharfen Waffen! Warum dies alles?
Tyl und Vara waren aufeinander zugelaufen, kaum daß die Männer aufgetaucht waren. Sie standen nun Rücken an Rücken, die Stöcke in der Hand. Neq war wie angewurzelt stehengeblieben. Seine erste, ganz nutzlose Bewegung, als er sein Schwert heben wollte, hatte ihn daran erinnernt, daß er nicht mehr bewaffnet war. Für die beiden anderen stellte er bloß ein Hemmnis dar.
Die Männer rückten näher heran. Neq dachte an eine ähnliche Situation, damals vor sechs Jahren, als sie Leute den Laster umzingelt hatten. Wenn er damals bloß rechtzeitig die Lage durchschaut und damit Neqa gerettet hätte . . .!
»Ergebt euch!« sagte der Anführer der Wegelagerer.
Keiner gab Antwort. Dazu waren sie schon zu gewitzt und kannten die Art der Gesetzlosen. Es war zweifelhaft, ob man ihnen einen Tod nach ehrlichem Kampf zugestand. Und dieser Riesenaufwand nur zur Rekrutierung neuer Stammesmitglieder? Kaum zu
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