Titanen-Trilogie 03 - Der Sturz der Titanen
und steigerte - das war etwas völlig anderes.
»Ich glaube nicht, daß wir die Nacht über bleiben sollten«, sagte Vara. »Der Duft bringt unsere Leidenschaften in Aufruhr . . .«
Richtig. Und zwischen ihnen schwelte ohnehin Rachedurst.
Tyl ging hinunter an den Fluss und hielt seinen Kopf unter Wasser. Triefend aber triumphierend kam er wieder. »Wir kennen nun den Zauber!«
»Aber atmen müssen wir auch in der Nacht«, gab Neq zu bedenken und händigte ihm sein Schwert wieder aus. »Einmal haben wir es geschafft, aber es wäre tollkühn, wenn wir es ein zweites Mal wagten.«
Tyl dachte nach. »Ja. Jetzt eben, da war ich mir über die Wirkung im klaren. Aber es war mir gleichgültig. Hätte ich meine Waffe zur Hand gehabt -«
»dasselbe widerfuhr mir letzte Nacht«, gestand Neq. »Und meine einzige Waffe war ein Lied.«
»Die Blüte ist die Waffe«, sagte Tyl. »Eine Waffe, die einen ganzen Stamm besiegen könnte. Würde sich die Kenntnis
davon verbreiten, würde man überall diese Pflanze setzen. Wir müssen sie uns aneignen.«
Vara rieb sich die Augen. Sie hatten kein Auge zugetan, und der Stamm konnte jeden Augenblick auftauchen. Wahrscheinlich hatte Tyl richtig geraten: der Stamm war mehr daran interessiert, das Geheimnis des Waldes für sich zu behalten, als es preiszugeben. Tote trugen mit dazu bei, den üblen Ruf zu verbreiten und andere Stämme daran zu hindern, in dieses reiche Jagdgebiet einzufallen. Natürlich wurden nur Fremde geopfert. Es war höchste Zeit sich zu verstecken und sich auszuschlafen.
Tyl nickte. »Wir bauen uns ein Lager am Wasser unterhalb des überhängenden Ufers und schlafen dort. Wir stellen keinen Posten auf. Findet man uns, dann wehren wir uns, bis es dunkel wird oder springen einfach ins Wasser.«
Die Stammesmitglieder waren entweder zu selbstsicher oder zu dumm, um eine gründliche Suche zu veranstalten. Die drei blieben unentdeckt. Erquickt brachen sie auf und erreichten den südlichen Rand des Waldes, als die Blüten sich öffneten. Klar, daß um diese Zeit keiner vom Stamm auf der Lauer lag.
»Wenn das Licht bewirkt, daß sie sich schließen«, murmelte Tyl.
Neq machte einen Satz. Tyl steuerte direkt auf eine dichte Gruppe sich öffnender Blüten zu! »Vorsicht - das Mondlicht hat ihnen gestern nichts anhaben können.«
»Vielleicht doch«, sagte Vara. »Vielleicht ist das der Grund, warum wir durchkamen. Wir haben nicht die ganze Wirkung mitgekriegt. . .«
»Geht aus der Windrichtung«, sagte Tyl. Er holte sein Licht hervor. Es war eine kleine Kerosin-Laterne mit rundem Docht und verstellbarem Glühstrumpf. Eine Vorrichtung zum Anzünden war daran angebracht. Das Ding war mitgeschleppt worden, und Tyl hatte es nur selten gebraucht, da er sich lieber auf seine eigene Nachtsicht verließ. Aber er gehörte nicht zu denen, die ohne richtige Ausrüstung unterwegs waren.
Er entzündete die Laterne, stellte sie auf höchste Leuchtkraft ein und führte sie ganz nahe an die Pflanze heran. Ein an der Laterne angebrachter Reflektor bewirkte, daß die Helligkeit erstaunlich gesteigert wurde.
Langsam schloss sich die Blüte.
»Wenn das Licht sie zum Schließen veranlasst, müsste die Dunkelheit ein Öffnen bewirken«, sagte Tyl. »Wenn wir eine solche Ranke mit uns trügen -«
»Würde sie eingehen«, sagte Neq, dem der dahinterliegende Gedanke nicht gefallen wollte.
»Eine junge Pflanze samt Erdreich. In einem Behälter und dazu diese Lampe -«
»Das ergibt eine Waffe!« rief Vara aus. »Bei Tag abdecken, mitten unter die Feinde stellen . . .«
Tyl nickte. »Und wenn alle tot sind, nimmt man die Pflanze wieder mit. Zündet das Licht an. Wandert weiter.«
»Ein Gegen-Hinterhalt«, schloss Vera, deren Augen in der Dunkelheit zu leuchten schienen.
Wieder Töten, dachte Neq. Das Töten nahm kein Ende, sei es mit dem Schwert oder mittels der Blume. Doch der Plan hatte einiges für sich. »Das hier ist eine Randzone. Wird die Pflanze außerhalb des Waldes gedeihen?«
»Eine hochempfindliche Sorte«, äusserte Vara erregt. »Sie braucht die richtige Temperatur. Wasser, Erdreich, Schatten -«
»Das alles werden wir herausfinden«, sagte Tyl. »Der Mensch hat sich schon ganz andere Pflanzen nutzbar gemacht.«
Die beiden machten sich nun eilig daran, ein passendes Exemplar auszugraben und in einem Behälter unterzubringen. Neq konnte seine Bedenken nicht loswerden. Die kleinste Schlamperei genügte, und um ihr Dreigespann war es geschehen. Die Pflanze war ein
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