Titanen-Trilogie 03 - Der Sturz der Titanen
hübsch sein?
Ja, welcher Mann - mit Ausnahme des einen, der seinen Reif bereits losgeworden war und dessen Untaten so schrecklich waren, daß die Verletzung eines fremden Reifs gar nicht mehr zählte? Welcher wohl, bis auf den einen, der sich durch einen Eid gebunden hatte, ein vernichtetes Leben zu ersetzen?
Welcher außer Neq!
XVI
Jetzt war es an Tyl, die Sache voranzutreiben, während Neq sich eher abseits hielt. Die Wanderung ging nun schon in den dritten Monat, unterbrochen von strategischen Maßnahmen, von Kämpfen und natürlichen Gefahren, doch alles Wichtige trug sich nun zwischen Tyl und Vara zu. Varas anfängliche Wut hatte sich aufgebraucht. Sie war verletzlich geworden.
Es fing ganz unauffällig an. Eines Tages stellte Tyl ihr eine scheinbar harmlose Frage, deren Beantwortung sie zwang, ihre eigenen Motive zu überdenken. Ein andermal fragte er Neq nach einer Kleinigkeit aus dessen Vergangenheit. Auf diese Weise konnte Tyl feststellen, daß Vara sich am engsten mit Sol verbunden fühlte, und nicht mit ihrem biologischen Vater sowie mit Sosa, die nicht ihre natürliche Mutter war. Sol und Sosa hatten zusammengelebt und ihre beiden Armreifen missachtet, nur um Soli - Vara eine Familie zu bieten.
»In Helicon war das anders«, sagte sie. »Dort gibt es keine richtigen Ehen. Es gibt zuwenig Frauen. Die Männer teilen sich in die Frauen, gleichgültig, wer wessen Reif trägt. Anders wäre es nicht gerecht.« Sie redete, als würde Helicon noch existieren, obwohl sie die Wahrheit kannte.
»War demnach Sosa mit allen Männern beisammen?« fragte Tyl, als ginge es ihm bloß darum, diesen verwirrenden Punkt zu klären. »Auch mit denen, die sie nicht mochte?«
»Nein, es wäre sinnlos gewesen. Sie konnte kein Kind empfangen. Ja, ich glaube, sie ging manchmal mit einem, wenn der nicht lockerließ - sie ist sehr schön, musst du wissen. Aber das hatte ja nichts zu bedeuten. In Helicon ist Sex einfach Sex und nicht mehr. Wichtig ist nur, daß Frauen Kinder bekommen.«
Dies traf auch auf die Nomaden zu, dachte Neq bei sich.
»Und wenn du dort geblieben wärest?« fragte Tyl.
»Warum hätte ich es anders halten sollen? Als ich fortging, war ich erst acht, aber immerhin schon -« Sie hielt inne.
Tyl sagte darauf nichts, doch nach einer Weile fühlte sie sich bemüssigt zu erklären: »Einer der Männer - eine Altersgrenze gibt es da nicht. Nun, er hatte eine Vorliebe für die ganz jungen. Und überdies waren Mädchen rar. Aber ich war noch nicht so weit. Deswegen schlug ich ihn mit dem Stock. Das war alles. Sol sagte ich davon nichts - es hätte bloß Ärger gegeben.«
Das allerdings! Neq fiel die Szene im Blüten-Wald ein, als die Trugbilder sie narrten. Da hatte sie einem eingebildeten Angreifer Drohungen entgegengeschleudert.
»Wärest du älter gewesen -« sagte Tyl nun.
»Dann wäre ich wohl mit ihm gegangen. So ist es eben in Helicon. Das hat mit bestimmten Vorlieben nichts zu tun.«
»Und als du die Ehe mit Var geschlossen hast - wärest du dann noch in den Berg zurückgegangen?«
»Wir waren auf dem Weg dorthin!« Und wieder musste sie die Sache näher erklären. »Var hätte Verständnis gehabt. Ich hätte seinen Reif behalten.«
Sie war ähnlich naiv wie Var, denn sie merkte noch immer nicht, wohin Tyl sie führen wollte.
Sodann kam Neq an die Reihe. Tagtäglich, während sie marschierten und kämpften und schliefen. Er war keineswegs zugänglich, aber Tyl war so schlau, ihm Fragen zu stellen, die er offen beantworten oder sie unbeantwortet lassen musste. Allmählich schälten sich die Umrisse von Neqs dem Imperium geleisteten Diensten heraus, sein großes Geschick im Schwertkampf, der Codex, nach dem er sich gerichtet hatte. Ja, er hatte als Unterführer eines Stammes oft töten müssen, aber niemals außerhalb des Ringes und nie grundlos. Und vieles davon war auf Sols Anweisung geschehen. Nichts davon ging auf die Rechnung des Waffenlosen, der nichts unternommen hatte, das Imperium auszuweiten.
Vara blieb abweisend. Ihr gefiel dieses Ins-rechte-Licht-Rücken von Neqs Charakter nicht.
Und dann kam Tyl zu Neqs Tun nach dem Fall des Imperiums. »Warum bist du zu den Irren gegangen?«
»Das Imperium war am Auseinanderbrechen, und die Nomadengesellschaft ebenfalls. Die Gesetzlosen verwüsteten die Herbergen. Es gab keine Nahrungsmittel mehr, keine Vorräte, keine guten Waffen. Ich wollte in Erfahrung bringen, warum die Irren sich zurückgezogen hatten.«
»Und warum hatten sie sich
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