TITANIC-WORLD
ab und ging zur Tür.
„Craig!“ Cecilia lief zu ihm und hielt ihn fest. Mit Tränen in den Augen sagte sie:
„Wenn wir heiraten, zerstören wir alles, was zwischen uns ist – unsere Liebe, unsere Freundschaft, unsere gute Zusammenarbeit, einfach ALLES! Wir würden uns gegenseitig unglücklich machen! – Keiner kann dem anderen das geben, was er braucht.“
Ein, zwei Sekunden sah Craig sie mit einem unergründlichen Blick an. Langsam, aber entschlossen, befreite er sich aus ihrem Griff. Dann verließ er wortlos das Büro.
Emily Pearson stand fasziniert auf dem B-Deck in der Luxussuite B 51-55. Es war eine der beiden sogenannten Millionärssuiten auf der TITANIC gewesen und hatte auf der Jungfernfahrt Mrs. Charlotte Drake Cardeza und ihren erwachsenen Sohn, Thomas , beherbergt. Diese großzügige Kabinenflucht verfügte über zwei getrennte Schlafzimmer, einen eleganten Salon mit offenem Kamin, ein eigenes Badezimmer,eine Innenkabine für Dienstboten und ein eigenes Promenadendeck. Nach dem sie sich alles genauestens angesehen und sogar ein Weilchen auf dem Sofa gesessen hatte, las Emily mit Interesse die kurze Biografie der beiden ehemaligen Bewohner. Sie erfuhr, dass Mrs. Cardeza nebst Sohn, Kammerdiener und Zofe, die Reise in Cherbourg angetreten und dass die einfache Passage für alle vier Personen 522 Pfund gekostet hatte. Erstaunt las sie, wie aufwendig die Cardezas gereist waren; vierzehn Schrankkoffer – die unter anderem 70 Kleider, 91 Paar Handschuhe, 10 Pelzmäntel, 38 Federboas und 22 Hutnadeln enthielten – vier Koffer, drei Gepäcktruhen und ein Schmuckköfferchen. Die treffende Bemerkung eines Zeitgenossen, die Familie hätte genug Gepäck mit sich geführt, um das Schiff zu versenken, amüsierte sie. Doch als sie die Kurzbeschreibung zu Ende gelesen hatte, lag ein trauriger Ausdruck auf ihrem Gesicht. Mutter und Sohn Cardeza konnten sich in Rettungsboot 3 in Sicherheit bringen; der Kammerdiener, Gustave Lesneur , sowie die Zofe, Anna Ward , waren bei dem Unglück jedoch ums Leben gekommen. Bei ihrem bisherigen Rundgang hatte sie immer wieder betrübt feststellen müssen, dass es vielen der erste Klasse Passagiere vorzüglich – wenn auch hier und da mit unkonventionellen Mitteln – gelungen war, für ihre eigene Rettung zu sorgen, während sie ihre persönlichen Dienstboten elendig absaufen ließen. Sie verließ die Luxussuite mit dem Gedanken, dass Reichtum keine Voraussetzung für Edelmut war.
Als sie im Treppenhaus der ersten Klasse stand, wusste sie nicht recht, was sie als Nächstes unternehmen sollte. Vor gut vier Stunden hatte Emily die TITANIC-WORLD in der dritten Klasse betreten. Es waren nicht die längeren Warteschlangen vor der ersten und zweiten Klasse gewesen, die sie diesen Entschluss hatte fassen lassen, sondern es war ihrem Wunsch entsprungen, sich der Vergangenheit zu stellen. Ihre Großeltern hatten der einfachen Arbeiterschicht angehört und so folgte sie ihren Wurzeln, den Rundgang als Zwischendeckpassagier zu beginnen. Nach dem sie zuerst das gesamte C-Deck, auf dem die Eingangsbereiche lagen, einer genauesten Erkundung unterzogen hatte, war sie ins North Atlantic Inn geschlendert, um einen kleinen Lunch zu sich zu nehmen. Sie hatte im Biergarten gesessen und den jungen Familien zugesehen, die entspannt an Deck saßen, während sich ihre Sprösslinge auf dem Kinderspielplatz vergnügten. Dabei musste sie an ihre Nichte Sally denken, die die Kinderfreundlichkeit der TITANIC-WORLD besonders hervor gehoben und damit Recht gehabt hatte. Nach dem Lunch hatte sie ihren Rundgang auf dem B-Deck fortgesetzt, der damit endete, dass sie jetzt wieder im Treppenhaus stand und darüber nachdachte, ob sie zuerst dem Türkischen Bad oder dem A-Deck einen Besuch abstatten sollte. Sie blätterte durch den kleinen Wegweiser und stellte fest, dass es sowohl auf dem A-wie auch auf dem F-Deck eine weitere Hall of Silence gab. Als sie sah, dass die Artefakte auf F-Deck die letzten Zeugnisse der Heizer, Trimmer und Maschinisten darstellten, fühlte sie Wehmut in sich aufsteigen. Dort unten, allein mit den stummen Zeugen einer Tragödie und den Überbleibseln einer längst vergangenen Epoche, würde sie Großvater Joseph ganz nahe sein. Der Gedanke erschreckte Emily. Plötzlich war sie sich nicht sicher, ob sie die Kraft hatte, Gerätschaften aus dem Arbeitsleben der Schwarzen Gang betrachten zu können, die einst vielleicht ihremGroßvater gehört hatten. Ich werde zuerst dem A-Deck einen
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